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hatte Francesca einen sechsten Sinn für die richtige Pose und das Spiel mit dem Licht. Obwohl diese Fotos eigentlich das Werk eines Paparazzo sein sollten, war Madeline davon überzeugt, dass sie keinesfalls heimlich aufgenommen waren, sondern dass es sich um eine sorgfältige Inszenierung handelte.
Aber von wem? Und warum?
Sie biss in ihr Croissant und loggte sich ins Internet ein. Auf der Seite des Restaurants fand sie sofort die Telefonnummer des Café Fanfan . Sie rief an und bat darum, mit dem Chef verbunden zu werden, doch man erklärte ihr, Monsieur LaTulip würde nicht vor elf Uhr kommen. Sie nutzte die Zeit, um einige Recherchen durchzuführen. Die Seite entsprach dem Restaurant: modern und luxuriös. Bei genauerem Hinsehen stellte sie fest, dass es der Luxus-Hotelkette Win Entertainment gehörte.
Die Gruppe, die sämtliche Aktiva von Lempereur aufgekauft hat …
Auf der Karte, die Preise waren schwindelerregend, entdeckte sie bestimmte Gerichte, die Jonathans Ruf ausgemacht hatten. George hatte ihm also nicht nur seine Frau geklaut, sondern auch seine berühmtesten Rezepte.
Schweinerei …
Madeline setzte ihre Suche über George LaTulip fort und geriet an einen Tauchblog … Offensichtlich war LaTulip ein passionierter Unterwasserfotograf. Seine Homepage, die auf dem neuesten Stand war, war ein Schaufenster seiner verschiedenen Reisen und zeigte Hunderte von herausragenden Fotos bunter Fische, riesiger Schildkröten und leuchtender Korallen. Schon seit Jahren reiste LaTulip durch die Welt. Er hatte in Belize, Hawaii, Sansibar, Brasilien, Mexiko und auf den Malediven getaucht … Alles war geordnet, archiviert und kommentiert. Während sie sich durch die Seiten klickte, hielt sie bei dem Bild eines prächtigen Leopardenhais inne. Laut Bildunterschrift war der Fisch am 26. Dezember 2009 auf den Malediven aufgenommen worden. Das Datum machte die Expolizistin stutzig. Nach Aussage des Klatschblatts war das Bild von Francesca und George am 28. Dezember 2009 am Strand von Nassau auf den Bahamas entstanden. Aber die Malediven und die Bahamas lagen mindestens fünfzehntausend Kilometer voneinander entfernt und auf der entgegengesetzten Erdhalbkugel. Es war sicher möglich, sich per Flugzeug in weniger als zwei Tagen von einem Ort zum anderen zu begeben, wegen des häufigen Umsteigens aber eher schwierig. Überzeugt davon, etwas gefunden zu haben, vertiefte sie ihre Recherchen. Beim Durchblättern der Seiten stellte sie fest, dass LaTulips Reisen nie kürzer als eine Woche gewesen waren. Das schien logisch, wenn man sich zum Tauchen ans Ende der Welt begab. Sein Trip auf die Malediven hatte hingegen nur zwei Tage gedauert. Alles deutete also darauf hin, dass George seinen Aufenthalt abrupt unterbrochen hatte, um zu Francesca zu fliegen.
Madeline spürte ein Prickeln im Bauch. Dieses köstliche und zugleich beängstigende Gefühl, das sich einstellte, wenn sie bei einer Ermittlung auf die erste Spur stieß. Du bist keine Polizistin mehr , wiederholte die innere Stimme.
Doch sie beschloss, nicht auf sie zu hören, und trat, zufrieden mit ihrer Entdeckung, auf den Bürgersteig, um eine Zigarette zu rauchen.
San Francisco
»Hallo, Papa.«
»Morgen, mein Junge«, sagte Jonathan und hob Charly hoch, um ihm einen Kuss zu geben und auf einen der Barhocker zu setzen.
Das Kind rieb sich die Augen und beugte den Kopf über seinen Becher mit heißer Schokolade. Jonathan bestrich ihm ein Brot mit Akazienhonig. Charly bedankte sich und fragte, ob er im Fernsehen einen Zeichentrickfilm ansehen dürfe. An diesem Morgen hatte Jonathan allen Grund, ihm seine Mattscheibenkritik zu ersparen.
»Natürlich, Liebling«, antwortete er und schaltete den Apparat sogar selbst mit der Fernbedienung ein.
Charly rückte näher, und Jonathan nutzte die Zeit, in der sein Sohn in die Abenteuer von Bob, der Schwamm vertieft war, um sich an seinen Computer zu setzen und weiter die »Akte Dixon« zu studieren.
Unter den Dateien, die er noch nicht geöffnet hatte, befand sich auch ein komprimiertes Video. Nachdem er seinen Kopfhörer aufgesetzt hatte, drückte er auf die Playtaste. Das Bild war nicht gerade von guter Qualität. Vermutlich war es mit einem Handy oder einer Digitalkamera älteren Datums aufgenommen worden. Doch der Ton war einigermaßen verständlich.
Im Vordergrund sah man Madeline mit geschlossenen Augen in einem Krankenhausbett. Sie schien noch im Koma zu liegen oder zumindest fest zu
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