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Lieferanteneinfahrt.
»Komm mit.«
Trotz der Kälte war in der Stadt die Hölle los: Musik, Knallfrösche, Hupkonzerte, Gruppen von angeheiterten Jugendlichen, die erotische Lieder grölten …
»Ich habe Silvester nie gemocht«, gestand Alice und zog ihren Reißverschluss bis zum Hals hoch.
»Ich auch nicht.«
Ich war seit einer halben Ewigkeit nicht mehr in Lyon gewesen. Mit siebzehn Jahren hatte ich für drei Monate als Kochlehrling in einem Restaurant unweit der Oper gearbeitet.
»Geschlossen«, stellte Alice fest, als wir vor La Fourchette à gauche angelangt waren.
»Das habe ich fast gehofft«, erwiderte ich. »Schon damals, als ich hier beschäftigt war, hat der Patron an Heiligabend und Silvester dichtgemacht.«
Am Anfang der Straße führte ein schmales gepflastertes Gässchen diagonal zum Hinterhof des Restaurants. Natürlich war die Tür mit einem Vorhängeschloss versehen, doch ich hatte in dieser Nacht bereits so oft das Gesetz gebrochen, dass ich mich mit solch einem Detail jetzt nicht mehr aufhielt.
Die Restaurantküche war modern, sauber und aufgeräumt.
»Sind Sie sicher, dass es hier keine Alarmanlage gibt?«, fragte Alice und starrte nervös auf die Scherben der Fensterscheibe, die ich eingeschlagen hatte.
»Hör zu, ich bin mir über gar nichts sicher, aber wenn du Schiss hast, kannst du dich gern wieder ins Auto setzen. Du hast das Recht, Angst zu haben.«
»Hab ich aber nicht!«, verteidigte sie sich vehement.
»Schließlich hast du mich gedrängt, etwas für dich zu kochen …«
Sie sah mich herausfordernd an.
»Okay, ich kümmere mich um die Spaghetti und Sie sich um die Makronen.«
»Makronen? Das ist völlig unmöglich! Ich brauche vierundzwanzig Stunden, um welche zu machen, die diesen Namen verdienen. Wenn man sie nicht im Kühlschrank ruhen lässt, dann …«
»Gut, hab schon verstanden, Sie sind ein Feigling.«
Ihre Bemerkung traf mich zutiefst.
»Wie du willst. Was gibt es zu deinen Spaghetti?«
»Pesto-Soße«, sagte sie und öffnete ein Kühlfach. »Hier ist auch schon Basilikum.«
Sie begann, die Zutaten zusammenzustellen, während ich den Backofen vorwärmte.
»Reich mir bitte mal den Zauberstab dort!«
»Hokuspokus!«, sagte sie, und ihr Lächeln war so schön wie selten.
Ich siebte zunächst Puderzucker, Mandelpulver und Kakao in eine Rührschüssel. Sie tauchte das Basilikum in lauwarmes Wasser, zupfte die Blätter von den Stielen und trocknete sie auf Küchenpapier.
» Grana Padano oder Parmigiano Reggiano , was soll ich nehmen?«
» Parmigiano! Warum bist du ausgerissen?«, fragte ich unvermittelt, während sie den Parmesan rieb.
»Ich … ich hab einen Freund in Paris, den ich auf einer Klassenfahrt durch Frankreich kennengelernt habe. Ich wollte ihn besuchen, doch meine Eltern waren strikt dagegen.«
Mit deutlichem Unbehagen und nach leichtem Zögern hatte sie geantwortet, sich dabei Nase und Kinn gerieben und meinen Blick gemieden.
»Wir wissen beide sehr genau, dass das nicht stimmt, oder?«
Sie hob die Augen mit der flehenden Bitte, ich möge nicht weiter nachbohren.
Ich widmete mich erneut meinem Rezept und gab die Kakaomischung über das geschlagene Eiweiß, während sie Käse, Basilikum, Pinienkerne, Knoblauch und Olivenöl in den Mixer füllte.
Als meine Mischung glatt war, füllte ich sie in eine Teigspritze und setzte runde Häufchen auf das Backblech.
Sie schmeckte ihr Pesto ab, fügte etwas Salz, Pfeffer und Olivenöl hinzu und rührte so lange, bis ihre Soße sämig war.
»Wo hast du das gelernt?«
»Das habe ich mir selbst beigebracht«, erwiderte sie mit der größten Selbstverständlichkeit.
Während ich meine Plätzchen ruhen ließ, machte ich mich an die Schokofüllung. Unterdessen gab sie ihre Vollkornspaghetti in einen Topf mit kochendem Wasser.
In einem der Wandschränke fand ich recht gute schwarze Schokolade. Alice naschte ein wenig davon, und ich schnitt den Rest in hauchfeine Scheiben.
»Um eine cremige Konsistenz zu bekommen, müsste sie mehrere Stunden im Kühlschrank bleiben.«
Ich sah auf die Uhr. Es war kurz vor zwei. Ich gab die Makronen-Hälften bei schwacher Temperatur in den Backofen.
»Sie haben mir nicht erzählt, warum Sie Ihr Restaurant geschlossen und alles hingeschmissen haben«, sagte sie und schenkte sich ein Glas Milch ein.
»Das ist zu kompliziert, das kannst du nicht verstehen …«
In diesem Augenblick musste ich an die Aasgeier von Win Entertainment denken, denen ich, um einen
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