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Titel: Nachricht von dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillaume Musso
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der Kälte die Metro zu nehmen, und betrat die Station Raspail.
    Die Wagen waren brechend voll. Die meisten Fahrgäste kamen von der Arbeit, andere gingen zum Essen oder ins Theater, wieder andere machten ihre letzten  Weihnachtseinkäufe. Madeline öffnete ihre Handtasche: sie enthielt eine Glock .17 – ihre ehemalige Dienstwaffe, die sie nicht zurückgegeben hatte – und ein Taschenbuch – Der schwedische Reiter von Leo Perutz –, das ihr ihre Buchhändlerin vor langer Zeit empfohlen hatte.
    An einen Klappsitz gelehnt, sah sie sich um. Sie hatte den Eindruck, dass immer weniger Leute während der Fahrt lasen. Stattdessen waren ihre Blicke auf das Display ihres Handys gerichtet, andere unterhielten sich, wenn sie nicht gerade telefonierten, spielten oder Musik hörten. Sie versuchte, sich in ihren Roman zu vertiefen, war aber außerstande, sich zu konzentrieren. Zu viele Menschen, zu großes Gedränge und vor allem die Last des schlechten Gewissens. Seit Samstag belog sie Raphael. Und zwar auf eine immer weniger unschuldige Art. Heute Abend hatte sie ihm vorgeschwindelt, sie würde mit einer Freundin deren Abschied vom Junggesellenleben feiern. Glücklicherweise war er weder misstrauisch noch eifersüchtig, sonst hätte er ihr leicht auf die Schliche kommen können.
    Wie erhofft, hatte George LaTulip sehr schnell Kontakt mit ihr aufgenommen. Wenige Stunden nach dem »Unfall«, hatte er sie im Geschäft angerufen und zum Mittagessen eingeladen. Um sein Interesse anzustacheln, hatte sie zunächst abgelehnt, doch glücklicherweise hatte er insistiert, und diesmal hatte sie die Einladung zum Abendessen angenommen. Typen wie George kannte sie zur Genüge. In den psychologischen Artikeln der Frauenzeitschriften wurden sie als »zwanghafte Verführer« bezeichnet. In der Wirklichkeit nannte man sie Aufreißer – alles nur eine Frage des Vokabulars.
    An der Endstation der Linie 6 stieg sie aus. Sobald sie an die Oberfläche kam, tauchte sie in ein Lichtermeer ein. Von der Place de la Concorde bis zur Étoile waren auf einer Länge von mehr als zwei Kilometern die Bäume entlang der schönsten Avenue der Welt durchzogen von bläulich schimmernden Lämpchen, die funkelten wie Kristalle. Selbst die blasiertesten Pariser konnten sich der Magie dieses Schauspiels nicht entziehen.
    Sie zog ihren Mantel fester um sich und lief über die Avenue Hoche bis zum Restaurant Royal Monceau .
    »Sie sehen bezaubernd aus«, erklärte LaTulip zur Begrüßung.
    Er hatte sich nicht lumpen lassen. Das Restaurant des Luxushotels, äußerst eindrucksvoll mit seinen Säulen, den beigefarbenen Ledersesseln und der Kombination unterschiedlicher Materialien – Barhocker aus Metall, Theke aus Plexiglas – war unerhört stylish  …
    »Gefällt Ihnen das Dekor?«, fragte er, während man sie zu einem Tisch in einer kleinen Nische führte.
    Madeline nickte.
    »Der Designer ist Philippe Starck. Wussten Sie, dass er auch mein Restaurant eingerichtet hat?«
    Nein, das wusste sie nicht.
    Ab diesem Moment sagte sie fast nichts mehr, sondern begnügte sich damit, hübsch zu sein, zu lächeln und Bewunderung für Georges affiges Verführungsspiel zu heucheln. Man spürte, dass er sein Annäherungsmanöver souverän beherrschte. Lässig redete er für zwei, erzählte von seinen Reisen, seinen Extremsport-Erfahrungen und von den DJ s David Guetta und Armin van Buuren, die er »persönlich kannte«, sowie vom Pariser Nachtleben, das er für »langweilig, kaputt und so gut wie tot« hielt.
    »Es ist wirklich schlimm, es gibt hier keine richtige Underground-Kultur mehr. Die kreativsten DJ s und Labels gehen nach Berlin oder London. Wenn man sich heute wirklich amüsieren will, muss man das Flugzeug nehmen.«
    Madeline lauschte zerstreut den stereotypen Floskeln, die er sicher schon hundert Mal von sich gegeben hatte. Bei allen Gängen, die man ihr servierte – Wachseier mit Flusskrebsen und Steinpilzen, Kalbsbraten an Karotten im eigenen Saft –, fragte sie sich, was Jonathan wohl dazu gesagt hätte.
    Nachdem sie jeden Bissen ihres Desserts – eine exzellente Schoko-Zitronen-Blätterteigschnitte – genossen hatte, erklärte sie sich bereit, »ein letztes Gläschen« bei Georges zu trinken.
    Sie nahm auf dem Beifahrersitz des Porsches Platz, den der Valet vorgefahren hatte. Ehe LaTulip den Motor anließ, beugte er sich zu Madeline und küsste sie.
    Der Typ hat wirklich nichts gemerkt.
    Sie lächelte ihm zu, tat so, als gefiele ihr das, und erwiderte

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