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konnte. In den Bücherregalen und in den Schränken herrschte peinliche Ordnung: Sportausrüstung, HiFi-Geräte der jüngsten Generation, Hunderte von DVD s, einige Bildbände … Madeline durchwühlte die Kleidungsstücke, zog alle Schubfächer und Türen auf und inspizierte jeden Winkel. Dieses Know-how vergaß man nicht. Sie wusste nicht wirklich, was sie suchte, wohl aber, dass es etwas zu finden gab. Vielleicht unter den Tonnen von Papieren, die LaTulip in seinen zahlreichen Ordnern aufbewahrte?
Sie überzeugte sich, dass er noch immer bewusstlos war, zog, für den Fall, dass er zu schnell aufwachen würde, ihre Glock aus der Tasche und setzte sich an seinen Schreibtisch, um die Dokumente durchzusehen. Kontoauszüge, Steuerbescheide, Stromrechnungen, Besitzurkunden mobiler und immobiler Güter. Diese »Durchsuchung« dauerte eine Stunde, ergab aber nichts, was sie nicht schon wusste. LaTulip hatte beachtliche Einkünfte als Inhaber seines Restaurants, vor allem aber als Verwalter der DeLillo-Stiftung.
Madeline war wütend, nichts Neues entdeckt zu haben.
Die Zeit verging schnell.
Blieb der silberglänzende Laptop, der auf dem Couchtisch stand. Vorsichtig öffnete Madeline den Deckel. In ihrer Polizeikarriere hatte sie die Möglichkeit gehabt, die Festplatten in ihrer Dienststelle auswerten zu lassen, ihre eigenen Informatikkenntnisse waren somit beschränkt. Glücklicherweise war das Gerät im Stand-by-Modus, sodass sie kein Password eingeben musste. Sie begnügte sich damit, einen schnellen Blick auf die Dateien zu werfen, inspizierte den Ordner »Eigene Bilder«, in dem Unmengen von Tauchfotos gespeichert waren, und kontrollierte den Browserverlauf des Internets. Dann überflog sie den Posteingang, ohne etwas Interessantes zu finden.
Ermittlungen erfordern Hartnäckigkeit.
Also ließ sie sich nicht entmutigen, sondern öffnete Georges E -Mail-Konto, das als IMAP -Protokoll angelegt war. Madeline hatte sich für dieselbe Methode entschieden, um ihre Mails sowohl auf dem Smartphone als auch auf dem Computer einsehen zu können. Man musste kein Fachmann sein, um zu wissen, dass in diesem Fall alle Nachrichten auf dem Server bleiben – selbst die, die der Benutzer gelöscht zu haben glaubt.
Also sah sich Madeline das Archiv an. Es gab Tausende von gesendeten und empfangenen Nachrichten. Mit verschiedenen Suchbefehlen gelang es ihr, die Mails auszusortieren, die sie suchte. Der Beweis, dass sie auf dem richtigen Weg war:
Von: Francesca DeLillo
An: Georges LaTulip
Betreff: Re:
Datum: 4. Juni 2010 19:47
George,
ich bitte Dich, vergiss Deinen Plan, Jonathan in San Francisco aufzusuchen. Wir haben die richtige Entscheidung getroffen. Jetzt ist es zu spät für Gewissensbisse, ich dachte, das hättest Du durch die Zeitungsartikel verstanden …
Vergiss Jonathan und das, was uns widerfahren ist. Lass ihn sich erholen.
Wenn Du ihm die Wahrheit gestehst, bringst Du uns alle drei in eine furchtbare Situation, und Du wirst alles verlieren: Deine Arbeit, Deine Wohnung, Deinen Komfort.
F.
Die Nachricht war zwar konfus, aber interessant. Doch zwischen den Zeilen gab es sicher etwas zu entdecken. Sie druckte die E -Mail aus und schickte zur Sicherheit eine Kopie an ihre eigene Adresse.
1 Uhr nachts
Eiskaltes Wasser ins Gesicht, dann Ohrfeigen. George öffnete die Augen in dem Moment, als ihn ein erneuter Schwall Wasser traf.
»Was …«
Er war mit seinen eigenen Krawatten an einen Stuhl im Wohnzimmer gefesselt. Er versuchte, sich zu befreien, aber seine Hände waren hinter dem Rücken zusammengebunden, die Knöchel an den Stuhlbeinen festgezurrt. Zehn Zentimeter vor seinem Gesicht richtete sich drohend der Lauf einer Pistole auf ihn. Er war dieser Frau, die er leichtsinnigerweise mit in seine Wohnung genommen und die ihn gefesselt hatte, vollständig ausgeliefert.
»Ich … ich gebe Ihnen Geld. In der Ankleide ist ein kleiner Safe, da sind mindestens zwanzigtausend Euro drin.«
»Ja, deine Kohle habe ich schon gefunden«, sagte Madeline und warf ihm ein Bündel Scheine ins Gesicht.
»Aber was wollen Sie dann?«
»Die Wahrheit.«
»Die Wahrheit über was?«
»Über das!«
Er senkte den Blick und entdeckte Francescas E -Mail.
»Wer … Wer sind Sie wirklich? Ich dachte, Sie wären Floristin und …«
»Ich bin die Frau, die die Knarre hat, nur das zählt.«
»Ich weiß nicht, was Sie an dieser Sache interessiert, aber ich rate Ihnen …«
»Ich glaube,
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