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Nachrichten an Paul

Nachrichten an Paul

Titel: Nachrichten an Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegret Heinold
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ähnlich, jedenfalls.
    „Hast du eigentlich eine Nachricht an Paul geschickt“, fragt Clara und sieht auf das Entenfoto, das hier immer noch an meiner Pinnwand hängt.
    „Nicht wirklich“, sage ich.
    „Solltest du vielleicht“, sagt Clara. „Das Entenfoto ist zwar nicht perfekt, aber es ist immerhin ein Entenfoto.“
    Dann fährt Clara los und ich bin mit Miguel alleine.
     
    *
     
    Miguel bleibt noch drei Tage. Er behauptet, er hat einen Auftrag in Viseu, aber so richtig viel arbeiten sehe ich ihn eigentlich nicht. Dafür fährt er mit mir durch die Gegend. Er lädt mich jeden Abend zum Essen ein. Jeden Abend in ein anderes Restaurant. Und heute ist sein letzter Tag und wir fahren ins Douro-Tal.
    Wir fahren in seinem dunkelblauen Auto durch das Dorf und ich darf endlich mal wieder auf dem Beifahrersitz sitzen. Mann, ist das schön. Ich sehe aus dem Fenster, ich träume vor mich hin. Ich sehe zu Miguel, er hat ein weißes Hemd an und Jeans. Und wenn ich mich trauen würde genauer hinzugucken, dann würde ich sehen, dass diese Jeans auch noch verdammt gut sitzen. Er hat die Ärmel etwas hochgekrempelt, weil es ein warmer Tag ist und ich sehe auf seine Arme und Hände. Seine Haut ist leicht gebräunt, er wohnt in Porto, er geht oft an den Strand. Die Hände sind kräftig, aber nicht klobig. Er hat eigentlich richtig schöne Hände, das fällt mir jetzt zum ersten Mal auf. Die Nachbarn winken uns fröhlich zu, als wir vorbeifahren, sie denken jetzt bestimmt: Die Dona Anna hat einen neuen Freund. Und ich sehe an ihren Gesichtern, dass sie das gut finden. Ich lese in ihren Gesichtern ein na-endlich-wurde-aber-auch-Zeit.
    Ach Miguel. Ich frage mich, was er eigentlich von mir hält. Ich kenne ihn schon so lange. Er denkt seit zehn Jahren an meinen Geburtstag. Er ist immer ein guter Freund gewesen. Hat er mich je als etwas anders gesehen als eine verheiratete Ehefrau? Hat er mich je als Frau gesehen? Sieht er mich jetzt als Frau? Wäre ich für ihn eine Frau? Ich habe keine Ahnung.
    Mir wird klar: Wir reden eigentlich nie über was Persönliches. Ich weiß schon, dass er Freundinnen hatte. Ein paar habe ich sogar kennengelernt. Die Maria da Luz zum Beispiel und die Isabel aus Guarda. Oder damals die Mónica. Aber es ist nie was Festes draus geworden. Und alle wissen, der Miguel ist eben Single. So ist er eben. Bisher habe ich mir da auch keine Gedanken drüber gemacht und jetzt möchte ich nicht fragen.
    Was, wenn er in mir mehr sieht als die gute Freundin? Ich habe ja schon jetzt ein schlechtes Gewissen, dass ich nicht in ihn verliebt bin. Ich fühle den sozialen Druck eines ganzen Dorfes auf mir lasten. Und den von Dona Ermelinda ganz besonders. Aber ich kann einfach nicht, ich kann einfach nicht, ich kann nicht ...
    „Na, Anna, heute ganz verträumt?“, sagt Miguel und parkt das Auto.
    Wir steigen aus, wir sind in Peso da Régua, was für eine wunderbare Landschaft. Kein Wunder, dass sie die ganze Region zum Weltkulturerbe erklärt haben. Der Wein wird in Terrassen am Douro-Ufer kultiviert. Dazwischen in Reihen Olivenbäume. Dafür ist die Gegend hier berühmt: Portwein und Olivenöl. Hier sind die ganzen berühmten Kellereien. Es gibt sogar ein Portwein-Museum. Dort zeigen sie die Geschichte des Portweins und die Herstellung. Sie haben Fotos von früher und die alten Geräte. Und gleich daneben einen Laden, eine Art Lagerhalle, wo man Portwein probieren und natürlich kaufen kann.
    Hier am Fluss ist es jetzt richtig warm. Wir gehen runter an den Douro, laufen eine Weile am Fluss entlang. Am Anleger liegen die kleinen und großen Boote für Touristen. Das große Reklameschild von Sandeman auf dem Hügel gegenüber – eine riesige schwarze Figur mit einem Cape. Wir laufen wieder zurück bis zu dem Café direkt am Wasser und setzen uns auf die Esplanada. Wir sehen den Booten zu, die Touristen für Fahrten auf dem Douro einladen. Ein Boot fährt in Richtung Anleger. Die Touristen stehen an der Reling und fotografieren.
    Wir trinken Kaffee und essen Kuchen. Miguel kauft den neuen Público und wir teilen die Zeitung und lesen. So haben Jan und ich immer im Café gesessen. Eigentlich jeden Tag, und eigentlich, wo immer wir waren. Einmal am Tag ins Café zum Zeitunglesen. Ich kann mich an viele Cafés in meinem Leben erinnern. Das Café mit dem schönsten Blick? Ulla´s Place in Tahsis BC. Das Café mit dem schlechtesten Cappuccino? Eine Bude, deren Namen ich zum Glück vergessen habe, in Carcross, Yukon Territories.

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