Nachrichten an Paul
Portugiesisch, also sieht sie deutsche Programme. Manchmal höre ich mit, was sie so sieht. Und ich denke: Da wird sie mir einen schönen Eindruck von Deutschland kriegen.
Am Freitagabend ist ein Zauberer im Abendprogramm in den Thermen und ich frage Lena, ob sie Lust hat hinzugehen. Hat sie. Gut so. In den Thermen gibt es jeden Abend ein Programm für die Kurgäste. Bei gutem Wetter draußen auf dem großen Platz vor dem Bad Dona Amélia. Bei schlechtem Wetter oben im Veranstaltungsraum. Oft zeigen sie einen Film, manchmal spielt eine Band. Meistens ist die Musik doof, also doof im Sinne von nicht meine Musik. Und ab und zu gibt es etwas Besonderes, so wie jetzt den Zauberer. Der Zauberer ist klasse und selbst Lena ist begeistert.
Danach gehen wir in mein Lieblingscafé, ins Bon d`Jau. Ich trinke einen Kaffee und die Prinzessin kriegt eine schöne dunkle Schokolade mit Sahnehäubchen. Wir sehen auf den Fluss und die Prinzessin erzählt mir von ihrer Freundin Kyra und von der Schule und von der doofen Frau Bloom, die immer so ungerecht ist. Und ich werde in Gedanken noch mal jung und denke an meine eigene Schulzeit und höre ihr einfach zu.
Und erst als wir gehen und schon in der Tür sind, sehe ich, dass Miguel im Café ist. Mit einem Mann und zwei Frauen. Die eine Frau ist Helena, den Mann und die andere Frau kenne ich nicht. Ich habe Miguel seit meiner missglückten Autobahnfahrt mit Folge-Fast-Lungenentzündung nicht mehr gesehen. Miguel skypt nicht, Miguel schickt nur selten E-Mails. Miguel hält nichts von diesem neumodischen Kram. Und telefoniert haben wir auch nicht, weil ja keiner den anderen angerufen hat, nicht wahr.
Jetzt sieht er zu uns rüber. Er nickt. Ich nicke zurück. Er sieht etwas verwundert auf die Prinzessin. Die Prinzessin nickt und lächelt. Miguel steht auf, er sagt etwas zu den anderen am Tisch und kommt zu uns.
Er ist etwas angetrunken. Er trägt Jeans und ein weißes T-Shirt und hat einen dunkelblauen Pulli um die Schultern geschlungen. Zum ersten Mal fällt mir auf, dass seine Schläfen grau werden. Und er hat jetzt einen Drei-Tage-Bart. Und beides steht ihm sehr gut.
„Hallo Anna“, sagt Miguel.
„Hallo Miguel“, sage ich.
Ich stelle ihm Lena vor, aber ohne zu sagen, dass sie Pauls Tochter ist, denn irgendwie, ehe ich das hier erkläre, also lieber nicht.
„Darf ich euch zum Auto bringen?“, sagt Miguel.
Ich sehe die Prinzessin an, die Prinzessin nickt.
Wir gehen zu dritt zum Parkplatz. Es sind viele Leute auf der Straße unterwegs, sie lachen und reden. Wir auch. Wir wirken wie eine Kleinfamilie. Es ist ein warme Sommernacht, die Vouga rauscht und ein paar Blüten fliegen durch die Luft. Die Platanen drüben auf der anderen Seite vom Fluss rascheln leise im Wind und sehen riesig aus.
„Und du?“, sagt Miguel zu Lena. „Wo kommst du so plötzlich her?“
„Aus Vancouver“, sagt Lena. Miguel nickt. Den Rest wird er sich jetzt denken.
„Weiter Weg“, sagt Miguel. „Gefällt´s dir hier?“
„Ist cool hier“, sagt Lena. „Ich darf jeden Tag fernsehen.“
Miguel sieht mich erst strafend an und grinst dann, und ich zucke mit den Schultern. Das bisschen Fernsehen wird das Kind schon vertragen. Wie heißt es doch so schön? Was uns nicht umbringt, macht uns stärker. Also bitte.
„Bist du Annas Freund?“, fragt Lena.
Ich kann´s nicht verhindern, denn als ich sie in die Rippen stoße, ist der Satz schon raus.
„Frag mich was Einfacheres“, sagt Miguel.
„Bist du in sie verliebt?“, fragt Lena.
„Noch einfacher“, sagt Miguel. „Was ganz Einfaches.“
„Hast du Kinder“, fragt Lena.
„Nein“, sagt Miguel. „Habe ich nicht. Weiß auch gar nicht, ob ich das überlebt hätte, bei den vielen Fragen.“
Die Prinzessin giggelt jetzt und wir stehen vor dem Auto.
„Steig du schon mal ein“, sagt Miguel zur Prinzessin.
Und die Prinzessin gehorcht in der Tat und setzt sich hinten ins Auto.
„Jetzt zu dir“, sagt Miguel.
Ich frage mich, was jetzt kommt. Was kann jetzt kommen?
„Nur dass du´s weißt“, sagt Miguel. „Ich habe in Vancouver mit keiner Frau namens Nicki geschlafen. Ganz wie versprochen.“
Ja, aber was ist mit Frauen namens Helena, die nicht mal weit weg in Vancouver sind, sondern hier in den Thermen im Café sitzen? Noch dazu bei Miguel am Tisch.
„Danke“, sage ich.
„Gern geschehen“, sagt Miguel.
Miguel sieht mich noch einen kleinen Moment an und beugt sich dann leicht nach vorne, ich kann seinen Drei-Tage-Bart an
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