Nachrichten an Paul
meinem Gesicht spüren. Und dann küsst er mich. Aber nicht auf die Wange wie sonst und zum Abschied üblich. Zum ersten Mal, seit wir uns kennen, küsst er mich richtig. Oh Mann. Und he – es fühlt sich gut an. Sehr gut sogar. Genauso plötzlich, wie er mir nahe war, ist er wieder weg. Ich mache die Autotür auf und steige ein. Miguel hält die Autotür noch einen Moment auf und guckt nach hinten ins Auto.
„Tschüß Prinzessin“, sagt er zu Lena.
„Ciao-ey“, sagt Lena.
„Tschüß Prinzessin“, sagt Miguel dann zu mir und macht die Autotür zu. Ich starte und fahre nach Hause.
„Ist Miguel dein Freund?“, fragt Lena.
„Frag mich was Einfacheres“, sage ich.
„Bist du in ihn verliebt?“, fragt Lena.
„Frag mich was Einfacheres“, sage ich.
„Gehen wir morgen wieder Eis essen?“, fragt sie.
„Aber hallo“, sage ich. „Natürlich gehen wir morgen Eis essen. Es ist schließlich Sommer. Wozu ist der Sommer da, wenn nicht zum Eisessen?“
„Cool“, sagt Lena. „Echt cool.“
*
Ich merke gleich, dass zu Hause irgendwas nicht stimmt. Ich bin mir sicher, wir hatten das Tor zugemacht. Jetzt ist das Tor weit auf. Ich fahre auf den Hof. Es ist Vollmond. Man kann deutlich die Umrisse der Gebäude erkennen. Ich sehe mich um. Ich kann nichts Ungewöhnliches erkennen. Ich parke und stelle den Motor ab. Ich sehe nach hinten, Lena ist auf der Rückbank eingeschlafen. Ich mache die Tür auf und steige aus. Plötzlich steht jemand hinter mir. Er hält mich von hinten fest und nimmt mir den Schlüssel weg. Es ist ein Mann.
„Ganz ruhig“, sagt der Mann. „Ich will Ihnen nicht weh tun.“
„Hören Sie mal“, sage ich. „Was soll das?“
„Steigen Sie wieder ein“, sagt der Mann und schubst mich wieder ins Auto. Dann geht er auf die andere Seite und macht die Beifahrertür auf. Er setzt sich ins Auto und nimmt meine Handtasche.
„Nicht dass Sie mir auf dumme Gedanken kommen“, sagt der Mann, zieht mein Handy aus der Handtasche und schaltet es ab.
„Was ist hier eigentlich los?“, sage ich. „Was wollen Sie?“
„Ich brauche einen Dolmetscher“, sagt der Mann.
„Warum haben Sie mich nicht angerufen?“, sage ich.
„Ich hatte Ihre Telefonnummer nicht“, sagt der Mann.
„Aber Sie kennen meine Adresse?“, sage ich.
„Ja“, sagt der Mann. „Sonst wäre ich ja nicht hier.“
„Okay“, sage ich. „Ich gebe Ihnen jetzt meine Telefonnummer und morgen rufen Sie mich an und wir machen einen Termin aus. So wie es sich gehört.“
„Nein“, sagt der Mann. „Ich brauche den Dolmetscher sofort.“
„Und wieso?“, sage ich. „Es ist mitten in der Nacht. Das hat doch bestimmt Zeit bis morgen.“
„Nein, hat es nicht“, sagt der Mann.
„Und warum kommen Sie damit ausgerechnet zu mir?“, frage ich. „Warum ich?“
Die schöne Frage des kleinen Jungen auf You Tube, Recht hat er der Junge, diese Frage stellt man sich doch wirklich immer wieder. Why me ?
„Weil Sie schuld sind“, sagt der Mann. „Mit Ihren Übersetzungen. Und deswegen müssen Sie es wieder in Ordnung bringen.“
In Ordnung bringen? Kann man so viel falsch machen in einer Gebrauchsanleitung für Leisehäcksler oder Wasserkocher, dass es so einen Überfall rechtfertigt? Wohl kaum. Aber dann dämmert es mir. Die Liebesbriefe. Der Mann aus Mangualde, der seine Frau mit Michaela aus München betrogen hat.
„Sie sind Francisco“, sage ich.
„Francisco Sousa“, sagt Francisco. „Angenehm.”
Na angenehm hält sich in Grenzen, finde ich, jedenfalls für mich.
“Der Kardiologe“, sage ich. „Aus Mangualde.“
Ich fühle mich jetzt ein bisschen besser, die Angst ist kleiner, aber ich frage mich natürlich immer noch, was das hier werden soll.
„Die Liebesbriefe von Michaela“, sage ich.
„Hören Sie“, sagt Francisco. „Das Ganze ist ein Missverständnis. Irgendwie. Und ich möchte, dass Sie das meiner Frau erklären.“
„Und warum so plötzlich?“, frage ich. „Warum jetzt mitten in der Nacht?“
„Weil das Missverständnis bei uns zu Hause in der Küche sitzt“, sagt Francisco. „Und mit meiner Frau reden möchte. Und dafür brauchen wir einen Dolmetscher.“
„Ich muss mal pinkeln“, sagt jetzt Lena.
„Gott, hat die Göre mich erschreckt“, sagt Francisco und sieht nach hinten.
„Warum dolmetschen Sie nicht selber“, sage ich. „Sie sprechen doch beide Sprachen.“
„Ich?“, sagt Francisco. „Das geht nicht. Mir glaubt meine Frau doch kein Wort
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