Nachrichten an Paul
treffen uns ein letztes Mal im Eispalast, übermorgen wird sie nach Buenos Aires fliegen. Wir gehen ausgiebig durch die Geschäfte, nicht nur an den Schaufenstern lang wie sonst. Clara braucht neue Klamotten, in Argentinien ist ja ein ganz anderes Klima. Wir fragen uns, was man in Buenos Aires wohl heutzutage so trägt, aber vermutlich trägt man dort das Gleiche wie überall wegen der Globalisierung. Clara trägt heute keinen Hut, auch keinen Strohhut mit Blumen, so wie sonst im Sommer. Clara hat sogar eine völlig neue Frisur. Sie hat ihre langen Haare abgeschnitten und hat jetzt eine Kurzhaarfrisur, wo die Spieken in alle Richtungen abstehen.
„Gefällt´s dir?“, fragt Clara.
„Du gefällst mir immer“, sage ich zu Clara. „Da kannst du mit deinen Haaren machen, was du willst.“
Wir gehen auch noch zu fnac und Clara kauft sich eine spanische Hörkassette, um ihr Spanisch aufzufrischen. Und ich kaufe mir drei Bände Asterix, um meine Asterix-Kenntnisse aufzufrischen. Wir bleiben am Esoterikregal stehen und werfen einen Blick auf die Tarotkarten. Aber wir kaufen keine. Ich brauche auch gar keine, schließlich habe ich ja immer noch Agathe.
„Und du willst wirklich Tango tanzen lernen“, sage ich.
„Auf jeden Fall“, sagt Clara. „Auf jeden Fall lerne ich Tango tanzen. Und Milonga gleich noch dazu.“
Wir sitzen auf der Terrasse und trinken unseren Galão und essen Pastéis de Nata . In der Ferne liegt wie immer die Serra de Estrela. Noch ist es heiß, aber schon bald ist Herbst und nicht mehr lange und auf den Gipfeln der Serra liegt wieder Schnee. Clara wird mir fehlen. Clara wird mir so sehr fehlen. Wir werden natürlich skypen, das ist klar, ich werde sie am Bildschirm sehen, Clara wird in meinem Bildschirm hin und her hippeln, und sie wird mir ihre spanischen Zitate mit dem kleinen virtuellen Bleistift schicken. Aber es ist eben nicht das Gleiche, wie so hier in Echt Kaffee zu trinken und Kuchen zu essen.
Als ich nach Hause komme, steht ein fremdes Auto im Hof. Es ist zum Glück nicht Hans-Dieters roter Golf, das ist ja schon mal gut. Ich steige aus, es sind Francisco und Maria. Sie haben mir einen Korb mit Früchten und eine Flasche Portwein mitgebracht. Einen richtig guten Portwein. Einen dreißig Jahre alten Ramos Pinto.
„Danke“, sage ich.
„Wir haben zu danken“, sagt Maria. „Sie wissen schon, wegen dieser Nacht damals.“
Francisco nickt.
„Wollen Sie einen Schluck?“, frage ich und hebe die Flasche hoch.
„Nein“, sagt Francisco. „Der ist für Sie. Heben Sie den für eine besondere Gelegenheit auf.“
Ich gehe ins Haus und hole einen schlichten Portwein. Einen, der auch gut schmeckt, aber sich natürlich nicht mit einem dreißig Jahre alten Ramos Pinto messen kann oder will. Ich stelle Gläser auf den Kacheltisch und schenke uns allen einen Portwein ein. Wir stoßen an.
„Haben Sie eigentlich noch Kontakt zu Michaela?“, fragt Maria.
„Nein“, sage ich.
„Schade“, sagt Maria. „Sonst könnten Sie sie von mir grüßen. Michaela hat nämlich unsere Ehe gerettet, wenn man es so nimmt. Das war ja alles ein bisschen eingeschlafen bei uns und jetzt lebt es wieder. Ich habe auch schon überlegt, ob ich ihr einen Dankesbrief schreibe oder so was in der Art. Den könnten Sie ja vielleicht übersetzen.“
„Francisco hat die Adresse, denke ich mal“, sage ich. „Aber wissen Sie was, vielleicht sollte man da lieber nichts schreiben.“
„Und warum nicht?“, sagt Maria. „Es wäre doch eine nette Geste, oder nicht.“
„Ich weiß nicht“, sage ich. „Schlafende Hunde soll man nicht wecken.“
„Ich glaube, Sie haben recht“, sagt Francisco. „Wie geht es eigentlich Ihrem Herzen?“
„Besser“, sage ich. „Irgendwie und unerwartet ein bisschen besser.“
*
Ich bringe Clara nach Porto zum Flughafen. Dafür, dass sie Clara ist, hat sie so gut wie kein Gepäck. Gerade mal ein mittelgroßer Rucksack als Gepäck zum Einchecken und einen Tagesrucksack als Handgepäck.
„Wie hast du das denn geschafft?“, sage ich.
„In Argentinien ist es warm“, sagt Clara. „Denke ich doch. Und wenn mir was fehlt, kaufe ich es einfach dazu.“
„Mein Gott, was wirst du mir fehlen“, sage ich.
„In einem halben Jahr bin ich ja wieder hier“, sagt Clara.
„Oder auch nicht“, sage ich, denn bei Clara kann man nie wissen.
„Oder auch nicht“, sagt Clara.
Und dann reden wir nicht mehr davon.
Ich bringe Clara sogar im Auto zum Flughafen. In
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