Nachrichten aus einem unbekannten Universum
Strömung zu schweben, während sie ihn mit sich trägt. Zum Ausgleich ist sein unteres Ende mit Gewichten beschwert. Klingt simpel, ist es aber nicht. Denn Gust hat ein Kuriosum für sich genutzt: die Komprimierbarkeit von Wasser.
Allgemein gelten Flüssigkeiten als inkompressibel. Wasser jedoch kann man ein bisschen zusammenquetschen — genug jedenfalls, um den Drifter nach Belieben auf- und absteigen zu lassen. In der Röhre verbirgt sich neben allerlei Elektronik zur Steuerung und Messung auch ein Hydrokompensator mit Platz für eine exakt definierte Menge Wasser. Der Trick ist nun, dass man das Wasser im Kompensator stauchen kann. Komprimiert ist es schwerer als im Normalzustand und nimmt weniger Raum ein, weshalb weiteres Wasser in die Röhre nachfließen kann. Damit verändert der Drifter bei gleichem Volumen sein Gewicht. Und zwar völlig autark: Komprimiert er den Inhalt der Röhre, sinkt er, stellt er den alten Zustand wieder her, steigt das Gerät. Sinken, steigen, wie’s beliebt. Alles eine Frage der Programmierung. Jahrelang kann der elektronische Spürhund auf diese Weise mit den Strömungen treiben, ganz ohne Leine, und was er Spannendes erlebt, erzählt er seinem Herrchen via Schallsignal. So weiß man immer, wo er gerade ist, kann Temperatur, Geschwindigkeit und Verlauf von Strömungen rekonstruieren und wertvolle Daten aus dem Atlantik verarbeiten, während Fifi schon im Zirkumpolarstrom schnüffelt.
Gust und viele andere Meeresforscher träumen davon, dass solche Drifter dereinst in allen Strömungen treiben. Unser Verständnis des thermohalinen Systems würde sich damit enorm erweitern. Noch wissen die Fische weit mehr über die Strömungen, die einige von ihnen wie Verkehrsleitsysteme nutzen, um Plätze in tausenden Kilometern Entfernung zielgenau anzusteuern. Doch bis uns die Fische was erzählen, können wir lange warten. Die sind bekanntlich stumm.
So weit die akademische Verschnaufpause. Wieder ein bisschen Action gefällig? Dann schnallen Sie sich mal die Druckluftflasche um.
Warum Bakterien keine Vornamen haben
Sie starren in diffuses Licht.
Es scheint kein Oben und Unten zu geben, nur Sie in Ihrem Taucheranzug. Eindeutig hängen Sie im Wasser, aber es kommt Ihnen seltsam schlierig vor, jedenfalls nicht wie gewöhnliches Meerwasser. Sie bewegen Arme und Beine. Das klappt wie gewohnt. Das hohle Röcheln Ihrer Atemzüge ist alles, was Sie hören. Wohin hat es Sie verschlagen? Welcher unbekannte Ozean hat Sie verschluckt? Sind Sie überhaupt noch auf der Erde? Und was um alles in der Welt ist das für ein Ding, das da auf Sie zuhält?
Rund ist es und hat lange dünne Stacheln, die nach allen Seiten abstehen. Damit erscheint es auf merkwürdige Weise sonnenähnlich, zumal es leuchtet. Oder reflektiert es nur einfallende Lichtstrahlen? Eigentlich, bei näherer Betrachtung, hat es eher etwas von Christbaumschmuck. Blitzschnell verändert es seine Position, huscht hierhin und dorthin, dreht sich, sodass die Stacheln mal silbrig, mal hellblau und mal in dunklem Rot aufblitzen. Das ist schön anzusehen, allerdings bereitet Ihnen die Vorstellung, von einer der Lanzen aufgespießt zu werden, erhebliches Unbehagen. Sie schlagen mit den Flossen, um wegzukommen. Der Schwung trägt Sie gegen etwas Transparentes, dem ein Kranz stummeliger Ärmchen entwächst. Erschrocken prallen Sie zurück und sehen ein gläsernes Speichenrad über sich hinwegziehen, gefolgt von konischen Kristallen, bläulich mit braunen Einschlüssen. Das Gedränge um Sie herum nimmt zu. Armlange grüne Leiterchen, konvulsivisch pumpende Ovale, durchsichtige Waberwesen mit orange glimmendem Innenleben, dann plötzlich etwas, das nur aus Schwanz und zwei gewaltigen Hörnern zu bestehen scheint. Allerlei Klebefäden und knorpelige Tentakel schlingen sich um Ihre Füße, Bälle mit schwirrenden Propellern stürzen in Kamikazemanier auf Sie herab, dann nähert sich ein pulsierender Sack, der sich aufbläht und alle Anstalten macht, Sie zur Gänze in sein geräumiges Innere zu verfrachten.
Höchste Zeit, Sie zurückzuholen.
Um Ihnen diesen Blick zu ermöglichen, musste ich Sie radikal verkleinern. So konnten Sie sich vorübergehend einen Tropfen Meerwasser mit einigen Hunderttausend Mikroben teilen, tierischen Einzellern und Algen, und mit eigenen Augen sehen, wer die Welt beherrscht. Es ist müßig, sich mit Fischen und Walen zu beschäftigen, bevor man nicht diesen kleinsten aller vorstellbaren Lebensräume besucht hat: den
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