Nachrichten aus einem unbekannten Universum
oben hin fort und erzeugt Verwertungshierarchien, an deren Spitze Könige stehen — mal sind es Löwen und Tiger, mal Haie. Ohne König bricht der Staat zusammen, und andere Gesellschaftsformen haben unter Tieren noch nie funktioniert. Selbst George W. Bush nimmt davon Abstand, Krieg gegen Haie zu führen, um ihnen die Demokratie zu bringen.
Will man das Leben im Meer porträtieren, braucht man eine große Leinwand. Auch dann lässt sich nicht jede Spezies darstellen (überdies würde es spätestens bei der zwanzigsten Seegurkenart langweilig werden). Ich entschuldige mich also bei jedem Meeresbewohner, dessen gewiss einzigartige Rolle ich auf diesen Seiten nicht gebührend würdige. Es gibt in diesem Buch kein Kapitel über das Gewöhnliche Petermännchen oder den Marmorzitterrochen. Auch die Nabelschnecke wird hier und jetzt zum ersten und letzten Mal erwähnt. Haie allerdings gehören zu den Lebensformen, die das Gesamtpanorama auf entscheidende Weise prägen. Ohne sie bräche die ökologische Struktur der Ozeane zusammen. Wir sollten sie also schätzen und schützen. Leider — so Gerhard Wegner, Präsident der weltumspannenden Haischutzorganisation Sharkproject — kann man Menschen nur schwer dafür begeistern, etwas zu schützen, das sie fürchten.
Den einzigen Weg, Ängste abzubauen, sieht Wegner darin, die Tiere besser zu verstehen. Darum im Folgenden ein paar Maul voll Fakten.
Allein vier der größten Haie sind Planktonfresser: Riesenhaie, Riesenmaulhaie und Teufelsrochen, vor allem aber Walhaie, die mit durchschnittlich 14 Meter Länge die größten lebenden Fische überhaupt sind. Walhaie sind von atemberaubender Schönheit, mit graublauem, manchmal bläulichem Rücken, der von hellen Streifen überzogen und zudem weiß gesprenkelt ist. Schon dieses Muster verdient Designerpreise. Das Maul ist gewaltig. Wie Wale können Walhaie stundenlang an der Oberfläche treiben, um Planktonschwärme abzuweiden. Sie sind ausgesprochen friedfertig und haben nichts dagegen, dass man eine ihrer beiden Rückenflossen umfasst und sich ein Stück von ihnen ziehen lässt. Ähnlich zahm verhält sich der Riesenhai, mit bis zu zehn Meter Länge der zweitgrößte Fisch der Welt. Vor diesen beiden Großmäulern muss sich also schon mal kein Mensch fürchten, und vor den meisten anderen Haien ebenso wenig.
Es heißt, Haie müssten unablässig schwimmen, um zu überleben, andernfalls würden sie absacken und ersticken. Falsch. Richtig ist, dass Haie keine Schwimmblase besitzen, die ihnen Auftrieb verleiht, und dies nur bis zu einem gewissen Grad durch ihre ölhaltige Leber kompensieren können. Grundsätzlich sinkt jeder Fisch nach unten, der das Schwimmen komplett einstellt, Haie müssen lediglich ein wenig agiler sein. Mitunter aber sieht man sie auf sandigem Boden ein Nickerchen machen. Angeblich liegen sie dann mit offenem Maul in der Strömung, weil sie keine Kiemendeckel wie Fische haben, sondern nur Kiemenspalten. Beim Fisch pumpen die Kiemendeckel das Wasser selbständig. Der Hai hingegen öffnet sein Maul, dadurch schließen sich seine Spalten, und Wasser wird eingesaugt. Klappt der Hai das Maul zu, öffnen sich die Spalten wieder, und das Wasser gelangt nach draußen. Dafür muss er sich keineswegs in die Strömung legen, allerdings funktioniert seine Atmung tatsächlich anders als bei anderen Fischen (manche Wissenschaftler gehen so weit zu behaupten, der Hai sei aufgrund seiner Eigentümlichkeiten gar kein richtiger Fisch).
Und noch etwas unterscheidet sie von den meisten anderen Fischen: Haie haben keine Knochen. Was sich im bereits erwähnten Mangel an Fossilien niederschlägt. Lediglich Zähne und Hautfetzen bleiben übrig. Falls Sie mal Gelegenheit haben, einen kleinen toten Hai in die Hand zu nehmen, werden Sie überrascht feststellen, wie schlaff er durchhängt. Keinerlei Spannkraft. Es fehlt das Grätengerüst, um dem Körper Halt zu verleihen, ähnlich wie bei Rochen und Meerkatzen. Im Grunde bestehen Haie nur aus Muskeln und Knorpeln. Das allerdings befähigt sie zu schnellem, wendigem Schwimmen. Die schnellsten aller Haie, Makohaie, bringen es auf 80, Weiße Haie immerhin auf 60 Stundenkilometer.
In vielerlei Hinsicht sind Haie erstaunliche Wesen, die von der Forschung immer neu entdeckt werden. Seit dem Devon haben sie sich kaum verändert. Ihre Körper könnte selbst Ferrari nicht eleganter gestalten. Dank der perfekten Stromlinienform schwimmen sie überaus energiesparend, was sich zum anderen
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