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Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Titel: Nachrichten aus einem unbekannten Universum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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ihrer eigentümlichen Haut verdankt, über die wir schon gesprochen haben: Sie besteht aus winzigen, zahnähnlichen Schuppen, die einander überlappen und das Tier in schwimmendes Schmirgelpapier verwandeln — an Haihaut sollte man sich nicht reiben. Zum Maul hin werden diese Placoidschuppen dann unvermittelt größer und formen das typische Revolvergebiss.
    Zugegeben — manche Haie beißen damit auch Menschen. Das herunterzuspielen, wäre unsinnig. Es kann nämlich kaum weiter heruntergespielt werden. Die Wahrscheinlichkeit, zweimal hintereinander den Jackpot im Lotto zu knacken, ist so hoch wie das Risiko, im Maul eines Hais zu landen. Selbst dann sind Sie nicht notwendigerweise tot oder ein paar Kilo leichter. Von den rund einhundert Haiattacken im Jahr enden weniger als zehn mit tödlichem Ausgang. Zugebissen haben dann Makohaie, Zitronenhaie, Hammerhaie oder Seidenhaie. Ebenso gibt es Tote bei Attacken durch Weiße Haie, Hochseehaie und Bullenhaie. Speziell Tigerhaie neigen zur Blitzamputation. Nicht, weil sie aggressiver sind als andere Haie, sondern das stärkste Gebiss haben. Schon darum beißen sie in alles, was sich bewegt. Auch Menschen.
    Fragt sich, warum? Ist der Hai grausam, weil er den Menschen frisst? Ist der Mensch grausam, weil er die Auster isst? Wird dem Hai das Leiden des Opfers bewusst, wenn dieses schreit? Oder nimmt er das Schreien als erfreuliches Indiz für die Frische der verzehrten Ware, so wie wir wohlwollend das Zucken der Auster betrachten, wenn wir ihr Fleisch mit Zitronensaft beträufeln?
    Nichts davon.
    Haie, so viel steht fest, sind nicht grausamer als eine Kokosnuss, die einem auf den Kopf fällt. Sie handeln nicht aus Vorsatz. Ihr Ziel ist es, zu überleben, und dafür müssen sie nun mal fressen. Weder verfügen sie über die technischen Mittel noch die genetische Disposition, ihre Beute sanft einzuschläfern, um sie anschließend in wohlgeratenen Portionen zu verzehren, also beißen sie voll ins pralle Leben.
    Zweitens, Menschen gehören nicht in ihr Beuteschema. Das ist bekannt, dennoch wird immer wieder gekontert, verspeiste Schwimmer und angeknabberte Surfer kündeten vom Gegenteil. Nehmen wir also an, Haie würden Menschenfleisch grundsätzlich schätzen: Was wäre dann an unseren Stränden los? Richtig, gar nichts. Wie ausgestorben lägen sie da, weil jeder Schwimmer befürchten müsste, sein Leben in Magensäure zu beenden. Auch das Argument, in Strandnähe gebe es nicht so viele Haie, ist schlichtweg falsch. So viele Haie, wie nachweislich vor den Küsten der Badeparadiese unterwegs sind, würden in jedem Fall weit mehr Opfer fordern. Außerdem würde sich ihre Zahl binnen kurzem verzehnfachen, wären wir wirklich Teil ihres natürlichen Speiseplans. Jedes Raubtier hält sich bevorzugt dort auf, wo es seine favorisierte Beute findet. Ein Hai, der sich nicht augenblicklich mit gewetzten Zähnen in den süßen Brei stürzen würde, wäre ja schlichtweg bescheuert.
    Noch ein falsches Bild muss man in diesem Zusammenhang korrigieren: das des einsamen Jägers. Gewiss, manche Haie sind Einzelgänger, große Weiße etwa. Viele treten jedoch in riesigen Verbänden auf. Die BBC-Dokumentation Blue Planet zeigt Aufnahmen von Hammerhaien, die zu Hunderten die oberflächennahen Gewässer durchstreifen. Wären Menschen für Haie auch nur ansatzweise von Interesse, sähe es an unseren Stränden aus wie im 2. Buch Mose 7, 14: Wasser würde sich in Blut verwandeln.
    Warum Haie trotzdem Menschen beißen, ist nach wie vor nicht hundertprozentig geklärt. Vor allem eine Theorie hat sich beliebt gemacht: Haie verwechseln Schwimmer mit Robben. Klingt nicht übel. Doch kann ein Schwimmer, gegen die Wasseroberfläche betrachtet, einer zappelnden Robbe so sehr gleichen? Haie verfügen über erstaunliche Sinne — die Augen gehören nicht dazu. Das Auflösungsvermögen der Linse ist bescheiden, allerdings sind sie enorm lichtempfindlich. Umso mehr beeindruckt ihr Gehör. Sein Innenohr hält den Hai nicht nur im Gleichgewicht, sondern erlaubt ihm zudem, Beutetiere konkret im Raum zu orten. Der große Lauschangriff erfolgt umso effizienter, je tiefer die Frequenz des ausgesendeten Signals ist, je niedriger, desto besser. Zwischen 100 und 800 Hertz hören Haie, etwa 100 bis 120 Hertz beträgt die Schwingungsmelodie, wenn verletzte Tiere zappeln. Eine Frequenz, die Haie noch in einer Entfernung von 250 Kilometern wahrnehmen und lokalisieren. Weil aber Haie mit Ohren dämlich aussähen, besitzen sie

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