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Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Titel: Nachrichten aus einem unbekannten Universum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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versetzten sie ihre Wirte in die Lage, mit dem ekligen Sauerstoff klarzukommen und Sonnenenergie auch für sich selbst zu nutzen.
    Das war der Moment, in dem die Wohngemeinschaft erfunden wurde, wissenschaftlich Endosymbiose. Sozusagen Kommune 1.
    Im Eukaryonten-Haushalt wurde allerdings nicht diskutiert und rumgehangen. Schließlich waren Cyanobakterien Weltveränderer. Zornige junge Zellen, die sich im Folgenden zu Chloroplasten weiterentwickelten. Heute sind Chloroplasten die Katalysatoren jeglicher Photosynthese in grünen Pflanzen. Licht speichern sie mit Hilfe von Farbpigmenten, den Chlorophyllen, auch Blattgrün genannt, kraft derer sie ihre Ladung weiterleiten an die spezialisierten Photosynthese-Membranen. Es kommt zur schon beschriebenen Umwandlung in Zucker; den braucht die Pflanze beispielsweise, um zu wachsen. Was sie davon nicht direkt verwenden kann, speichert ihr Gewebe als Stärke, die später in Zucker umgesetzt wird, wenn das Sonnenlicht schwindet. Die Kunst, Licht in Lebensenergie umzuwandeln, kann also bis zu einem gewissen Grad auch nachts vollzogen werden, in der Dunkelreaktion.
    Damals entstand der Urahn aller späteren grünen Pflanzen zu Wasser und auf dem Land, die Grünalge. Mit ihrem Erscheinen setzte sich ein Kreislauf in Gang. Immer mehr Sauerstoff wurde freigesetzt für immer rascheres Artenwachstum. Doch erst vor etwa 350 Millionen Jahren glichen sich Produktion und Verbrauch weitgehend aus. Seitdem beträgt der Sauerstoff — mit leichten Schwankungen — ein knappes Fünftel unserer Atmosphäre. Wir müssen den Cyanobakterien also aus tiefstem Herzen dankbar sein und sie lobpreisen, denn ihnen verdanken wir diese 21 Prozent lebenswichtige Substanz.
    Und noch etwas hat uns die Photosynthese geschenkt. Den Schutz vor der gar nicht so lieben Sonne, deren zerstörerische Strahlung die frühe Erde regelrecht bombardierte und die Lebensentwicklung an Land praktisch unmöglich machte. Auch darum ist die Geschichte des Lebens zwangsläufig eine Geschichte der Meere, weil es nur in ozeanischer Tiefe hatte entstehen können. Als jedoch Sauerstoff in die Atmosphäre gelangte, zeigte sich, dass solare UV-Strahlung in der Lage war, ihn aufzubrechen. Dabei bildete sich Ozon, ein schützender Mantel, der inzwischen leider durch nachlässigen Umgang löchrig geworden ist.
     

 
Sex
    Let’s talk aboutsex, baby ...
    Wie schon erwähnt, hielt Miss Evolution anfangs nicht sehr viel von Sex. Es schien ihr sinnvoller, dass die Zellen sich teilten und ihr Erbgut verdoppelten. Damals wurde viel rumexperimentiert, alle möglichen Genom-Varianten entstanden, manche robust und fortschrittlich, andere Ausschuss. Da konnte es nur von Vorteil sein, wenn eine resistente Zelle, die sich den vorherrschenden Lebensbedingungen perfekt angepasst hatte, ihr Erbmaterial identisch reproduzierte.
    Allerdings hatte die Zellteilung auch Nachteile. Die Teilungsgeschwindigkeit zum Beispiel. Es ging einfach viel zu schnell. Vielleicht kennen Sie die Legende von den Reiskörnern. Mal spielt sie in China, mal in Indien. Beide Kulturen nehmen für sich in Anspruch, das Schachspiel erfunden zu haben. Wir halten uns an die indische Version und lernen König Sher Khan kennen, einen leidenschaftlichen Schachstrategen, der darauf brannte, dem Erfinder des Spiels zu begegnen. Seine Armee durchkämmte das Land und stöberte schließlich einen alten Mann namens Buddhiram auf, einen Lehrer für Mathematik. Dem König vorgeführt, wurden ihm höchste Ehren zuteil. Er solle sich eine Belohnung aussuchen, verfügte Sher Khan, alles wolle er Buddhiram gewähren als Dank für das Vergnügen, das er ihm mit seinem genialen Spiel täglich bereite.
    Der Lehrer bat sich Bedenkzeit aus. Am nächsten Tag ließ er den Herrscher wissen, er sei ein einfacher Mann. Ein bisschen Reis sei vollauf genug. Und zwar ein Reiskorn auf das erste Feld des Schachbretts, zwei Körner auf das zweite, vier auf das dritte, acht auf das vierte, sechzehn auf das fünfte, und so weiter und so fort — für jedes Feld immer die doppelte Menge des vorangegangenen.
    Sher Khan war verärgert. Diese Belohnung war eines Königs nicht würdig. Seine Großzügigkeit war beleidigt worden, aber versprochen war versprochen, also gewährte er dem Alten seinen Wunsch und ließ jeden Tag die Anzahl der Körner vom Vortag verdoppeln. Gelangweilt und missmutig verfolgte er das Verdopplungsspielchen. Auf Feld zehn versammelten sich 512 Körner, die allenfalls für ein leichtes

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