Nachrichten aus einem unbekannten Universum
nicht.
Eine andere Theorie verlegt die Lebensentstehung ins Meereis, dessen winzige Hohlräume nebst einem chemisch ergiebigen Klima die Bildung von Protozellen ermöglicht hätten. Das allerdings würde den Zeitpunkt der Lebensentstehung erheblich zurückdatieren: Vor 3,7 Milliarden Jahren hat es auf der Erde kein Eis gegeben. Weitere Theorien sehen die Wiege des Lebens in Süßwasserseen, wieder andere kommen weitgehend ohne Wasser aus, indem sie das Leben auf Tongestein entstanden wissen wollen oder im Inneren kristalliner Gesteine. Vielleicht steckt überall ein bisschen Wahrheit drin. Fest steht, dass die Umstände zur Bildung einer Protozelle einen gewissen Wahrscheinlichkeitsgrad erreichen und überschreiten müssen. Und das in den Geburtswehen eines neuen Planeten! Der Astronom Fred Hoyle stellt denn auch gallig die Frage, wie lange ein Tornado über einen Schrottplatz fegen muss, bis er aus den Einzelteilen zufällig einen Rolls-Royce gebaut hat. Der britische Zoologe und Evolutionswissenschaftler W. H. Thorpe ergänzt, die Chance zur Entwicklung von Leben sei etwa so groß wie die Wahrscheinlichkeit, dass Affen beim Eindreschen auf Schreibmaschinen ein Werk William Shakespeares reproduzieren. In beiden Fällen spielt der Zufall offenbar eine große Rolle.
Andererseits darf man mit Fug und Recht die Frage stellen, ob es den Zufall überhaupt gibt; ob nicht vielmehr alles zwangsläufig eintreten wird, was eintreten kann, wenn nur genügend Versuchsrei- hen durchgeführt werden. Dass sich in Köln zwei Kölner treffen, ist sehr wahrscheinlich. Dass sie sich am Südpol treffen, ist ebenfalls wahrscheinlich, nur eben weniger wahrscheinlich als das Treffen in Köln.
Wir haben darüber philosophiert, ob drei Milliarden Jahre eine lange Zeit sind. Ebenso können wir uns fragen, ob 300.000 Milliarden Versuche zur Erringung eines Resultats viel sind. Menschen mögen das so sehen. Miss Evolution würde sagen, das ist noch gar nichts, lass mich erst mal richtig in Fahrt kommen! Ist also die Entstehung von Leben etwas hochgradig Wahrscheinliches oder hochgradig Unwahrscheinliches? Das wird uns am Ende des Buches beschäftigen, wenn wir zu fremden Ozeanen jenseits unseres Sonnensystems reisen. Aber erst mal bleiben wir in heimischen Gewässern.
Eine Zelle macht Karriere
Bringt man zwei Kaninchen auf einen fremden, bis dahin kaninchenfreien Planeten, kann es passieren, dass man sehr schnell sehr viele Kaninchen hat, die ihrerseits Kaninchen fabrizieren. Australiern klingen da die Ohren. Kaninchensex ist ein immens flotter Vorgang. Es heißt, wenn ein männliches Kaninchen eine Kaninchenjungfrau besteigt, flüstert es der Liebsten zu: »Keine Angst, tut nicht weh, na, tat’s weh?« So schnell geht das. Fortpflanzung wird mit äußerster Effizienz betrieben, das kurze Vergnügen steht in lausigem Verhältnis zur Zahl der Nachkommen. Kaninchen halten sich nicht mit Petting auf, sie treiben es nicht länger als erforderlich und pfeifen auf die Zigarette danach. Viel muss rauskommen, denn das Kaninchen als solches stirbt ungern aus, steht aber auf dem Speiseplan diverser Räuber. Seine Strategie ist darum, sich durch Masse zu behaupten. So haben sich die Nager einen stabilen Platz in der Evolution errammelt, ohne je einen Gedanken an Spiralen, Pillen und Kondo- me zu verschwenden.
Fortpflanzung ist offensichtlich nicht zum Spaß da. Man könnte Miss Evolution also der Prüderie bezichtigen, aber sie hat sich was dabei gedacht. Wir wären heute nicht so weit, wenn junge Einzeller bei Einzellervätern um die Hand des Tochterklons hätten anhalten müssen. Die ersten stoffwechselnden Lebewesen auf unserem Planeten hatten daher nicht mal Sex. Viel zu kompliziert, allein das Vorgewurschtel: Kann heute nicht, du bist nicht mein Typ, ich hab Migräne, in zehn Minuten kommen die Gäste, doch nicht hier, Schatz . wie, bitte schön, soll man sich da vermehren im wilden Ozean?
Archäen und Eubakterien fanden einen anderen Weg: Sie teilten sich. Aus einer Zelle wurden zwei, die mit der Mutterzelle identisch waren. So gesehen ist die DNS unsterblich, weil sie Doppelgänger produzieren kann, die wiederum Doppelgänger produzieren können, die ihrerseits Doppelgänger produzieren, Tochterzellen, die jeweils die gleichen chemischen Fähigkeiten haben wie die Zellen, aus denen sie hervorgegangen sind. Chemiker sprechen darum auch vom Molekül, das die Zeit besiegte. 20 bis 30 Minuten dauerte eine solche Teilung. So verdoppelte sich
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