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Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Titel: Nachrichten aus einem unbekannten Universum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Abendessen reichten. Feld zwölf ergab 2.048 Körner, auch nicht gerade ein Vermögen. Selbst nach zwei Wochen machte sich Sher Khan noch keine Sorgen: 8.192 Körner auf Feld 14, na und? Stutzig wurde der Herrscher erst, als sein Schatzmeister die bis dahin angesammelten Reiskörner addierte und auf 15.359 kam. Das hatte Sher Khan nicht erwartet. Wie es aussah, würde der Alte einen stattlichen Sack Reis nach Hause tragen.
    Andererseits gab es Wichtigeres, Staatsgeschäfte beispielsweise oder Konkubinen. Und so verlor Sher Khan die Sache vorübergehend aus den Augen.
    Die wurden ihm schockartig geöffnet, als sein Schatzmeister am 64. Tag schreckensbleich ins königliche Throngemach schlich und stammelte, die Belohnung könne nicht ausgezahlt werden. Sher Khan winkte ungläubig ab. In seinem ganzen Leben war er niemandem etwas schuldig geblieben, und hier ging es um einen Sack Reis! — Na schön, vielleicht um ein paar Säcke. Unwichtig. Wo lag das Problem?
    Der Schatzmeister begann zu weinen und ließ den Hofmathematiker kommen. Der legte Sher Khan auseinander, dass ein Schachbrett über 64 Felder verfüge und man es im Falle der Verdopplung mit einem Exponenten zu tun habe. Unglücklicherweise, habe man festgestellt, neigten Exponenten dazu, Entwicklungen dramatisch aus dem Ruder laufen zu lassen. Am 21. Tag schon habe man dem Buddhiram über eine Million Körner geschuldet, und da sei noch nicht mal das halbe Brett voll gewesen.
    Sher Khan wurde mulmig zumute. Allmählich schwante ihm, worauf er sich eingelassen hatte. Er begann nachzurechnen, aber die Aufgabe überstieg seine Fähigkeiten. Sollte der Alte ihn reingelegt haben?
    »Wir werden dennoch tun, was in Unserer Macht steht«, sagte er mit fester Stimme.
    Der Mathematiker schüttelte den Kopf.
    »Es steht nicht in Eurer Macht, Herr. Im ganzen Königreich gibt es nicht genug Reiskörner. Wenn Ihr Euer Wort halten wollt, dann müsst Ihr alles Land der Welt kaufen und es in Reisfelder verwandeln, Ihr müsst die Seen und Ozeane trockenlegen und alles Eis im Norden zum Schmelzen bringen. Wenn Ihr dann all dieses Land mit Reis besäen lasst, dann und nur dann werdet Ihr vielleicht genug Reis haben, um den Wunsch des Buddhiram zu erfüllen.«
    »Und wie viele Körner sind es nun?«, fragte Sher Khan bang.
    »Es sind 18.446.744.073.709.551.615 Reiskörner«, sagte der Mathematiker. »Und Ihr, mit Verlaub, seid pleite.«
    Ein Rechenspielchen zur Veranschaulichung: 100 Gramm Reis entsprechen etwa 400 Körnern. Demzufolge hätte der Lohn des Buddhiram 461.168.601.843 Tonnen gewogen - fast 80 Prozent der heutigen Weltjahresproduktion!
    Es gehört zu den wenig erfreulichen Begleiterscheinungen von absoluten Monarchien, dass die Herrscher ihre Untertanen köpfen lassen. In diesem Fall wäre Sher Khan gut beraten gewesen, den Reis gegen das Beil aufzuwiegen. Bestimmt hätte der Alte zugunsten seines klugen Kopfes auf den blöden Reis verzichtet. Ohnehin bleiben seine Motive im Dunkeln: Was wollte er mit so viel Reis, der ja irgendwann verdirbt? Ökonomisch blanker Schwachsinn, rechnerisch allerdings von bestürzender Schlüssigkeit. 64 Felder auf einem Schachbrett, ausgehend von einem einzigen Reiskorn, reichten aus, um ein Imperium zu zerstören, das zugegebenermaßen von einem Trottel regiert wurde.
    Ebenso hätte ein rammelfreudiger Verein Langohren beinahe Australien in den Ruin getrieben. Und das Reich der Einzeller wäre schnell am Ende gewesen, wenn Teilung um Teilung um Teilung ihre Biomasse ungezügelt hätte anwachsen lassen. Auf 64 Teilungszyklen bezogen, hätte ein einziger Einzeller in nicht mal zwei Tagen eine Milliarde Klone erzeugt. Die wieder hätten in weiteren zwei Tagen eine Milliarde Milliarden Nachkommen produziert. Einzeller sind zwar klein, so klein aber auch wieder nicht. Man hat errechnet, dass eine ungebremste Vermehrung die Erde binnen weniger Tage mit Einzellern regelrecht überzogen hätte. Lückenlos! Die frühe Schöpfung wäre an sich selbst erstickt.
    Nun gab es immer wieder Vulkanausbrüche, Asteroiden schlugen ein, oder patente Erfindungen wie das Sauerstoffzeitalter machten gleich 90 Prozent aller Lebewesen den Garaus. Allerdings vollzogen sich diese Entwicklungen über Millionen von Jahren. Fest stand, dass ein Regulativ hermusste.
    Erst mal beschloss Miss Evolution, dass nicht alle Zellen gleich seien, also nicht überall existieren konnten. Diese Maßnahme löste das Problem zumindest teilweise. Es rettete die Erde vor dem Kollaps,

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