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Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Titel: Nachrichten aus einem unbekannten Universum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Körpersegmente mit den passgenauen Kerben und Verschlussfurchen schirmten sein Innenleben hermetisch ab. Als sich die Greifer um ihn schlossen, war aus dem Trilobiten eine stachelige, ungenießbare Kugel geworden. Einzig die Augen lugten noch unter den Liddeckeln hervor, und was sie sahen, kündete von nichts Gutem.
    Was immer ihn gepackt hielt, hatte mindestens ebenso großen Hunger wie sein Opfer.
    Das konnte ja heiter werden. Wo doch der Panzer noch nicht richtig hart war! Blöder Wurm, der ihn alle Vorsicht hatte vergessen lassen. Er sah sich emporgehoben, dann tat sich über ihm ein riesiges, rundes Maul auf, besetzt mit nadelspitzen Zähnen. Dahinter gähnte ein Loch, in dem das Leben nun also enden sollte, diese ohnehin erbärmliche Existenz zwischen Nahrungssuche, Stürmen und Vulkanausbrüchen. Die zarten Beinchen und Antennen und die schönen Augen würden geschreddert werden, bis nichts mehr blieb, nicht mal eine Erinnerung.
    Es konnte, es durfte nicht sein! Plan B war fällig, oder das späte Kambrium würde bald um einen Trilobiten ärmer sein.
    Kurz bevor das mahlende Gebiss ihn erfasste, entrollte er sich wieder, machte sich blitzschnell lang, und die Zähne rutschten an ihm ab. Das Ungeheuer schien mit so viel Gegenwehr nicht gerechnet haben. Vielleicht hatte es auch zu hastig zugegriffen, jedenfalls entglitt der Trilobit den Klauen, fiel in den Sand und rannte um sein Leben. Über ihm schoss das Ding mit einem mächtigen Schlag seines Schwanzes in die Kurve, sank herab und nahm die Verfolgung auf. Elender Stress am frühen Morgen! Dabei hatte alles so fein begonnen, die reibungslose Häutung, der Spaziergang im Sonnenschein, das unverhoffte Geschenk des Wurms. Nur um in einem Mahlwerk zu landen, das selbst Trilobitenpanzer knackte? Lausige Aussichten.
    Das Monstrum brachte seine Klauen in Anschlag.
    Doch das Schicksal ließ Gnade walten. Noch hatte die Stunde des kleinen Trilobiten nicht geschlagen. Im letzten Moment flutschte er unter einen flachen, von Bakterien überwucherten Stein. Erstarrte Lava hatte hier ein poröses System aus Hohlräumen und Gängen gebildet, in die ein Angreifer von solch kolossaler Größe nicht passte. Der Verfolger zog hoch, um nicht mit dem Fels zu kollidieren. Das halbe Würmchen war verloren, das Leben gerettet.
    So weit die familienfreundliche Version einer Szene, die für gewöhnlich im Schredderschlund endete. Denn das zahnbewehrte Wesen war der schlimmste Unhold, der im Kambrium die Meere unsicher machte, und Trilobiten hatten von gar nichts einen Plan, geschweige denn Plan B. Wäre unser Trilobit größer gewesen und sein Panzer härter, hätte das Ungeheuer vielleicht entschieden, sich an so etwas gar nicht erst die Plomben auszubeißen. Wie auch immer, eines ist gewiss: Wir wüssten weniger von solchen Dramen, wäre Charles Doolittle Walcotts Pferd im August des Jahres 1909 nicht plötzlich stehen geblieben.
    Walcott, 1850 im Bundesstaat New York geboren, war schon als Kind ungemein interessiert an Fossilien. Eine höhere Schulbildung hatte er nicht vorzuweisen, dennoch leitete er im Laufe seines Lebens drei der bedeutendsten wissenschaftlichen Institutionen des Landes, die »Smithsonian Institution«, die »U.S. Geological Survey« und die »National Academy of Sciences«, und einige amerikanische Präsidenten suchten seine Freundschaft. Das Pferd zeigte sich unbeeindruckt von so viel Popularität. Als es nicht weitergehen wollte, hatte es seine Gründe. Auf ihm saß Walcott, vor ihm türmten sich Felsbrocken, Folge eines Erdrutsches. Walcott war mit seiner Familie und Freunden auf Expedition in den kanadischen Rocky Mountains, um Fossilien zu sammeln. Es war kalt und regnerisch, die Arbeit in der Höhenluft hatte die Truppe erschöpft, und Walcott war nicht mehr der Jüngste mit fast 60 Jahren. Trotzdem stieg der wackere Geologe vom Ross und machte sich daran, den Burgess-Pass freizuräumen. Dabei fiel sein Blick auf einen Schiefersplitter.
    Walcott stutzte.
    Wo die Platte entzweigebrochen war, hockte ein seltsam aussehendes Krebschen. Nein, es hockte nicht, es war versteinert, und so recht nach Krebs sah es eigentlich auch nicht aus, zumindest nicht nach einem von der Sorte, wie man sie mit Mayonnaise und ein paar Spritzern Zitronensaft zu genießen pflegt. Dieses Exemplar besaß Hörner, ein im Verhältnis zum Körper riesiges, rückwärts gebogenes Geweih mit vier Enden, und seitlich des vielfach segmentierten Körpers entsprangen filigrane, teils mit

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