Nachrichten aus einem unbekannten Universum
ein weiteres Argument ins Feld: Im Süden Australiens findet sich ein rund 590 Millionen Jahre alter Krater von 90 Kilometern Durchmesser.
Der Einschlag eines Meteoriten könnte den Großteil des einzelligen Lebens vernichtet und damit Raum geschaffen haben für die Evolution komplexerer Lebewesen. Allerdings ist diese Hypothese sehr umstritten.
Eher dürfte der Grund für die rasche Entwicklung der Hartschalen in einem rapiden Anstieg von Kalzium liegen. Aus dem Tommoti- um, der frühesten Periode des Kambriums, ist die so genannte »small shelly fauna« überliefert, erste winzige Tiere mit Panzern, darunter Vorläufer von Mollusken. Das passt zeitlich zu einer Theorie des Wissenschaftlers Tim Lowenstein von der New York State University, der Meerwasserproben aus 544 Millionen Jahre alten Salzkristallen analysierte und mit jüngeren Wasserproben verglich. Im Verlauf von nicht mal 30 Millionen Jahren hatte sich der Kalziumgehalt in den Ozeanen verdreifacht. Der Grund ist offensichtlich: Nach dem Ende der weltweiten Vereisung erodierten die Landmassen. Gewaltige Mengen kalziumhaltigen Sediments gelangten ins Wasser, zudem stieg der Meeresspiegel mit dem einsetzenden Tauwetter und verwandelte ganze Landstriche in Flachmeere. Kalziumkarbonat ist ein wichtiger Baustoff für Hartschalen. Vor der Varanger-Eiszeit war davon einfach nicht genug vorhanden gewesen zur allgemeinen Aufrüstung. Jetzt, zumal unter den veränderten Lebensbedingungen, wurde es von einigen Tierarten dankbar aufgenommen und in harte Panzer umgewandelt, während andere, insbesondere Einzeller, an der erhöhten Konzentration zugrunde gingen. Somit erklärt sich auch das Artensterben, das möglicherweise tatsächlich erforderlich war, um der neuen Fauna Raum zu schaffen.
Mögen die ersten Exoskelette lediglich als Schutz gegen Naturgewalten gedient haben, setzte bald schon das große Hauen und Stechen ein. Ein Wettlauf begann, dessen Geschwindigkeit keineswegs so erstaunlich ist, wie man lange Zeit geglaubt hat: Erinnern wir uns der Relativität von Zeit. Unsere persönliche Vorstellung von Zeiträumen ist unerheblich, sie bemisst sich an einer Skala, die alles nivelliert. Das lässt den Eindruck entstehen, als wären in eine Abfolge gleich langer Zeitabschnitte mal zu viele Ereignisse gepackt und mal zu wenige. Es ist aber umgekehrt. Die Ereignisse stauchen und dehnen die Zeit. Die Umweltbedingungen der frühen Erde machten Komplexität, bilaterale Körper, Hartschalen und hohe Biodiversität nicht erforderlich. Drei Milliarden Jahre lang ließ sich also getrost darauf verzichten. Erst als Innovationsbedarf entstand, setzte sich eine Entwicklung in Gang, die typisch ist für Erneuerungsschübe. Plötzlich vollzog sich der Fortschritt nicht mehr linear, sondern exponentiell, um nicht zu sagen: explosionsartig.
Auch in der Menschheitsgeschichte lässt sich das beobachten. Wenn Sie bedenken, wie lange unsere Vorfahren zu Fuß gingen, kommen Sie auf einige Millionen Jahre. Immerhin Tausende von Jahren saßen sie auf Pferden oder in Wagen, die von Pferden gezogen wurden. Im Verlauf weniger hundert Jahre wurden die Fahrwerke entscheidend verbessert. Dann erfand jemand den Benzinmotor, und plötzlich überschlug sich die Entwicklung. 1690 konstruierte der Franzose Denis Papin den Prototyp der Hochdruckdampfmaschine, die 1712 von Thomas Newcomen zur Einsatzreife entwickelt wurde. Bereits wenige Jahrzehnte später, nämlich 1765, verbesserte James Watt das Prinzip der Dampfmaschine so entscheidend, dass sie die industrielle Revolution einleitete. Knapp einhundert Jahre später, 1860, gelang es dem Belgier Etienne Lenoir, den ersten Gasmotor zum Laufen zu bringen. Ein gewisser Nicolas August Otto aus Köln gründete daraufhin die DEUTZ AG und baute 1876 mit den wohl bekannten Herren Gottlieb Daimler und Wilhelm Maybach den Otto-Motor, den Daimler zehn Jahre später erstmals als Antriebssystem für Fahrzeuge einsetzte. Gerade mal 120 Jahre ist das Auto alt, und welch unglaubliche Entwicklungen haben sich in dieser knappen Zeitspanne vollzogen: Formel 1, Düsenjäger, Airbus, Spaceshuttle.
Ähnliche Gedankenspiele lassen sich mit der Geschichte der Nachrichtenübertragung anstellen, angefangen bei Pheidippides, dem ersten Marathonläufer, der rund 40 Kilometer lief, um seine Siegesbotschaft nach Athen zu bringen, bis hin zum World Wide Web. Oder Sie führen sich das Moore’sche Gesetz vor Augen, das die Entwicklungsgeschwindigkeit in der Computertechnologie
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