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Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Titel: Nachrichten aus einem unbekannten Universum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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vollständig zum Erliegen gekommen. Auch wenn einiges dafür spricht, dass in Äquatorhöhe manche Stellen eisfrei blieben, wird der größte Teil des Lebens vor der Wahl gestanden haben, entweder auszusterben oder sich etwas einfallen zu lassen.
    Neben dem Burgess-Schiefer ist China das Eldorado der Geologen und Paläontologen. Auf der Jangtse-Plattform finden sich Urschnecken und frühzeitliche Polypen, vor allem aber jede Menge Vertreter der Gliederfüßer, Pfeilschwänze, Seeskorpione, Krabben und Ahnen des Hummers. Fast sämtliche Insekten lassen sich aus den Chengijang-Fossilien ableiten. Auch Anomalocaris, Opabinia, Wiwaxia und bis zu 15.000 verschiedene Trilobitenarten sind im Gestein verewigt. Die Jangtse-Plattform stabilisiert weite Teile Zentral- und Südchinas und ist die wohl begehrteste Fundstelle für kambrische und präkambrische Fossilien, denn einst waren Teile von ihr ozeanischer Boden. Sehr feinkörnig ist das dortige Sediment, sodass winzige Details erkennbar sind.
    Seit Jahren forscht hier auch der deutsche Paläontologe Bernd-
    Dietrich Erdtmann vom Institut für angewandte Geowissenschaften in Berlin. Er vermutet, dass sich ein Teil des Lebens während der Vereisung doch an die hydrothermalen Quellen zurückzog, was seiner Meinung nach keinen Rückschritt bedeutete. Die Organismen veränderten einfach ihren Stoffwechsel. Nahrung gab es dort unten genug, und man hatte es hübsch warm. Allerdings war das Leben in der Finsternis härter als an der Oberfläche sonnendurchfluteter Lagunen. Die hydrothermalen Kamine heizten nicht ewig. Sobald einer erlosch, sah man sich gezwungen, umzuziehen, ohne Karten und Navigationssystem in lichtloser Tiefe. Hatte man das Glück, eine neue Heimat zu finden, drängten sich da mit Sicherheit schon andere Emigranten. Plötzlich begann ein Kampf um Lebensräume und Ressourcen, den man bis dahin nicht gewohnt gewesen war.
    Was wie das Vorspiel zum endgültigen Exitus klingt, hat die Höherentwicklung der Arten in Wirklichkeit beschleunigt, sagt Erdtmann. Nur die Stärksten überlebten, aber was ist Stärke anderes als die Fähigkeit, sich stets neu zu erfinden. Weil formlose Weichtiere einander schlecht an die Gurgel gehen können, entwickelten die Überlebenden der Varanger-Eiszeit Exoskelette, Kiefer, Zähne und Greiforgane, Antennen, hornige Flossen, Beine, einige sogar Augen. Hier und da fanden nämlich doch ein paar Photonen ihren Weg hinab zu den heißen Quellen, oder glühende Lava erhellte den Meeresboden. Alles, was man den lieben Nachbarn voraushatte, konnte nur von Vorteil sein. Der Existenzkampf an sich war neu, also blieb dem Leben gar nichts anderes übrig, als binnen kurzem einen gewaltigen Sprung nach vorn zu machen. Ganz nebenher boten Panzer Schutz vor unwirtlichen Bedingungen auf einem Planeten, der längst noch nicht zur Ruhe gekommen war. Schwere Stürme wühlten die See auf, allerorts herrschte Vulkanismus.
    Im schwarzen Schiefer der Jangtse-Plattform stießen Erdtmann und sein Kollege Dr. Michael Steiner auf Vorläufer von Trilobiten, frühe Mollusken und Bakterienmatten zwischen Überresten Schwarzer Raucher. Chinesische Wissenschaftler fanden in der gleichen Gegend winzige, spiralförmige Embryos von Polypen, die im ausgewachsenen Zustand wohl hartschalige Röhren bewohnt hatten. Ein weiteres amerikanisch-chinesisches Forschungsteam entdeckte in der Doushantuo-Formation Wesen mit bilateralen Körpern, die mindestens 50 Millionen Jahre vor der Kambrischen Explosion gelebt hatten. Vemanimalcula, das »kleine Frühlingstierchen«, soll gegen Ende der Varanger-Eiszeit bereits einen Schlund und symmetrische Hohlräume beiderseits der Verdauungsorgane ausgebildet haben, möglicherweise sogar sehr frühe Augen. An den heißen Quellen, so Erdtmann, organisierten sich ganze Lebens- und Kampfgemeinschaften, aus denen später die Kambrische Artenexplosion hervorging — wenn es denn eine war.
    Immer noch vertreten Gegner dieser Theorie die Auffassung, schon lange vor dem Auftreten der Hartschalen habe es komplexe Vielzeller gegeben, von denen nichts überliefert sei, weil sie dem Appetit der allgegenwärtigen Bakterien anheim fielen. Hatte Miss Evolution doch keine Bombe gezündet, sondern lediglich eine Kollektion starrer Hüllen erfunden, um ihre nackten Metazoen damit einzukleiden? Das erscheint fraglich, zumal wir inzwischen wissen, dass sich Weichtiere unter bestimmten Umständen ganz hervorragend behaupten. Die Befürworter der Explosion führen

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