Nachrichten aus einem unbekannten Universum
Dasein zwischen Luft und Meer geführt hatte? Kursierte in Amphibienkreisen das Gerücht, gestrandete Fische seien leichter zu fressen als bewegliche? Lockten die Insekten? Oder trifft die Theorie zu, wonach ein gelegentliches Sonnenbad die Glieder ölte und eine effizientere Jagd ermöglichte als Resultat gestiegener Körpertemperatur? Alles mag stimmen. Fest steht, dass Lurchi aus einem bestechend einfachen Grund das Land aufsuchte.
Weil er es konnte.
Hey, Lurchi! Alles klar so weit? Winken Sie ihm nochmal zu. Wir stecken weiterhin den Kopf unter Wasser und werden im Folgenden sporadisch nachsehen, was aus ihm geworden ist. Keine Angst, der macht das schon.
Exitus
Die Geschichte des Lebens ist eine Chronik des Sterbens. Das kann man positiv oder negativ betrachten. Die Frage ist immer, ob der Tod am Ende oder am Anfang des Lebens steht. Miss Evolution lehrt uns, dass beides zutrifft. Wir leben am angenehmsten mit der Vorstellung, dass wir nicht wirklich enden, sondern lediglich Platz schaffen für Neues. Wenn die Vorstellung vorbei ist, muss man die Bühne verlassen. Andere wollen auch mitspielen, unsere Kinder und Enkel oder ganz neue Lebensformen, die nicht entstehen könnten, wenn wir bockig die Kulissen besetzen.
Vor rund 360 Millionen Jahren endet das Devon mit einem empfindlichen Dämpfer, dem die Hälfte aller marinen Organismen zum Opfer fällt, in tropischen Regionen sogar drei Viertel. Die prominentesten Opfer sind die Panzerfische, die komplett von der Bildfläche verschwinden. Andere balancieren auf Messers Schneide. Die ordovizische Katastrophe hatte die Brachiopoden erheblich dezimiert, doch zäh waren sie wieder auf ihren Platz gekrochen, nur um erneut dahingerafft zu werden. Die Baumeister der Riffe, die Korallen, entgehen knapp ihrer völligen Vernichtung, die Graphto- lithen sterben aus. Auch die Ammoniten müssen Opfer bringen, und die kieferlosen Agnathen werden bis auf ein Modell aus dem Programm genommen — ihre Nachfahren bilden heute die Familie der Schleimfische. Was genau die devonische Party stoppte, ist nicht erwiesen. Man weiß, dass große Teile Gondwanas zu der Zeit vereisten, und manches spricht dafür, die Schuld im Weltraum zu suchen. Offenbar hatte ein Meteorit die Erde getroffen. Wieder mal.
Es sollte aber noch viel schlimmer kommen.
Die Zeit bis vor 299 Millionen Jahren bezeichnet man als Karbon, wie erwähnt, gaben die ersten Kohlevorkommen der Periode ihren Namen. Zwei wesentliche Entwicklungen kennzeichnen diesen Abschnitt der Erdgeschichte und das nachfolgende Perm.
Zum einen schließen sich die Landmassen endgültig zu Pangäa, umgeben von Panthalassa, einem einzigen, riesigen Ozean. Nur im Osten schiebt sich wie ein Keil die Tethys in den Superkontinent, ein gewaltiges Meer, umflankt von Inselgruppen. Das geologische Armdrücken gilt unter anderem als Geburtsstunde des Japanischen Archipels, der Antarktischen Berge und des Uralgebirges. Im Norden bilden sich Binnenmeere und Seenplatten, dafür verdunsten Gewässer, die durch den Kontinentalzusammenschluss vom offenen Meer abgeschnitten wurden. Während große Teile Südpangäas unter Gletscher geraten, entstehen im Westen, speziell im heutigen Mitteleuropa und Nordamerika, wüstenhafte Trockengebiete. Ältere Gebirgszüge erodieren und verschwinden wieder. Rund um den Äquator recken sich bis zu 40 Meter hohe Regenwälder aus den Sümpfen und Mooren, Farne, Koniferen, erste Nadelgewächse und Bärlapp, vor allem aber Schuppen- und Siegelbäume, denen wir den größten Teil der Kohlevorkommen verdanken. Hier, wo es heiß und feucht ist, vollzieht die Vegetation ein geradezu surrealistisch anmutendes Wachstum. Blütenpflanzen fehlen noch, auch singen keine Vögel in den Ästen, dafür feiern die Insekten fröhliche Urständ. Das Land wird grün. Mit der Gletscherbildung im Süden geht der Meeresspiegel zurück, viele der tropischen Flachmeere verebben und hinterlassen ausgedehnte Salzwüsten. Erst gegen Ende des Karbon weichen die Eisfelder den allmählich wieder ansteigenden Temperaturen und lassen das Wasser vorübergehend steigen.
Die zweite nennenswerte Entwicklung betrifft den Sauerstoffgehalt, der auf 35 Prozent ansteigt, vermutlich als Resultat des enormen Pflanzenwachstums. Als Folge wächst alles andere mit. Ein Waldspaziergang im Karbon dürfte beileibe kein Vergnügen gewesen sein. Sie wären über zwei Meter lange Tausendfüßler gestolpert und hätten Libellen mit einer Flügelspannweite von 70
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