Nachrichten aus einem unbekannten Universum
ständig über vier dicke, kurze Treter. Unhaltbarer Zustand. Lurchi, unser Urgroßopa, ist schuld, der hatte diesen lächerlichen Watschelgang, er kam ja aus dem Meer, der alte Fisch, wo alles besser war, doch jetzt ist Sense mit dem Nostalgiegejammer. Wenn wir schnell rennen müssen, richten wir uns fortan auf und laufen auf den Hinterbeinen. — Also, einige von uns. Manche wollen weiter auf allen vieren latschen. Auch gut, jeder, wie er’s gebacken kriegt, aber aufrecht gehen, aufrecht stehen, heißt die Parole! Was das Wachstum angeht, sind wir ganz flexibel. Manche bleiben klein, andere werden riesig, und ein paar von uns, also hier der Mosa und der Ichthyo, die wollen zurück ins Meer und die Revolution auch dahin tragen.«
Soeben werden Sie Zeuge der Bildung einer jurassischen Guerilla. Schreckliche Gebisse warfen ihre Schatten voraus. Niemand konnte sich noch sicher fühlen:
»Zum Thema Fressen. Also, wir dachten uns, die Vierbeiner kriegen die Pflanzen und die Zweibeiner das Fleisch, soll heißen, sie kriegen die Vierbeiner. Fürs Erste jedenfalls, hinterher kann man auch mal wechseln. Jeder steht als Beute zur Verfügung, Sonderbehandlung gibt’s keine. So oder so werden wir die beherrschende Kraft des Planeten, und in ungefähr 150 Millionen Jahren entwickeln wir uns dann zu zweibeinigen, hochintelligenten Sauroiden, die Städte bauen und Raumschiffe fliegen. — Na, wie klingt das? Hey, sag was, Alter! Geschichte wird gemacht.«
Es klang gut. So gut immerhin, dass schon im frühen Trias die ersten Ichthyosaurier in den Meeren jagten. Bemerkenswert daran ist, dass das Leben, nachdem es vom Meer an Land gegangen war, nun wieder vom Land zurück ins Meer wechselte. Denn es scheint keineswegs ausgemacht, dass ein Dasein auf festem Grund der Existenz im Wasser vorzuziehen ist. Vielmehr ging es immer nur darum, vorhandene Möglichkeiten auszuschöpfen. Dazu gehörte, Tiere, Pflanzen und Pilze aus der Abhängigkeit vom Wasser zu befreien und sie dem Leben auf dem Trockenen anzupassen, ebenso aber auch, aus Landbewohnern Wasserbewohner zu machen.
Die ersten Ichthyosaurier-Skelette gruben Forscher vor gut 200 Jahren aus und hielten sie für Überreste von Riesenfischen. Man wusste damals noch nichts von der Existenz der Saurier und kam gar nicht auf die Idee, die Vorfahren solch riesiger Wasserbewohner auf dem Land zu suchen. Richtige Fische schienen sie allerdings auch nicht zu sein, dafür waren die Augen zu groß und die Wirbelsäule zu massiv. Ein Fisch braucht keine derart solide Wirbelsäule, also wen oder was hatte man da vor sich? Auch die spitzen, regelmäßigen Zähne erinnerten eher an Krokodile. Erst als der Oxforder Geologe William Buckland 1824 mit Megalosaurus den ersten Dinosaurier wissenschaftlich beschrieb, gewann das Bild an Klarheit. Die vermeintlichen Fische waren Echsen. Aber wie waren sie ins Wasser gelangt? Hatten sie sich parallel zu den Fischen entwickelt? Mit den Jahren hatte sich ein eher umgekehrtes Bild ergeben, nämlich dass die Reptilien aus den Fischen hervorgegangen waren. Dafür aber hatten sie an Land gehen müssen. Warum sahen sie nun wieder aus wie Fische?
Heute kennen wir so viele Arten von Ichthyosauriern aus allen Perioden des Mesozoikums, dass sich die Frage beantworten lässt. Sie besetzten die frei gewordenen Nischen der großen Meeresräuber. Zwei der ältesten Fossilien, Utatsusaurus und Chaohusaurus, sind wesentlich schlanker als spätere Exemplare und erinnern noch deutlich an Eidechsen, nur mit Flossen statt Beinen. So wie die Extremitäten der Quastenflosser Hand- und Fußknochen herausbilden mussten, um ihre Besitzer an Land zu tragen, bildeten sich diese Knochen im Wasser wieder zurück. Dafür verkürzten sich die Rückenwirbel und wandelten sich zu kurzen, hohen Scheiben. Utatsusaurus kam noch nicht in den Vorzug der neuartigen Wirbelsäule. Er lümmelte sich in flachen Gewässern herum und vollführte schlangenartige Bewegungen, die sein langwirbeliges Rückgrat ihm gestattete. Spätere Ichthyosaurer hingegen schossen elegant wie Delphine dahin, sodass man glauben könnte, sie seien weit beweglicher gewesen als die schwimmenden Eidechsen. Tatsächlich war das Gegenteil der Fall.
Und genau das — der Umstand ihrer Unbeweglichkeit — wirkte sich für die Kolosse zum Vorteil aus.
Schlängelbewegungen strapazieren den ganzen Körper, sie kosten ungeheuer viel Energie, ohne dass man mit dem Gezappel schnell vorankommt. Die kurzen, dicken Wirbel hingegen
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