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Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Titel: Nachrichten aus einem unbekannten Universum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Küste nicht mehr weit. Allerdings brachte das tektonische Stühlerücken reichlich Unruhe in die Geologie. Bedenkt man, dass es im Verlauf der Jahrmillionen immer wieder zu Verschiebungen kam, grenzt es beinahe an ein Wunder, dass die Saurier überhaupt so lange durchhielten.
    Eine andere Sichtweise muss man ebenfalls korrigieren. Wenn es heißt, die Saurier hätten 155 Millionen Jahre überdauert, klingt das ein bisschen so, als wäre jede einzelne Art stolze 155 Millionen Jahre alt geworden. De facto betreten wir mit dem Mesozoikum ein weites Feld, auf dem etliche Arten wenige Millionen Jahre lang spielten, um dann ausgewechselt zu werden. Ein vierfüßiger, säugetierähnlicher Lystrosaurus aus der frühen Trias hat wenig mit dem riesigen, zweibeinigen Carnosaurus aus der Oberen Kreide gemeinsam. Von der Zeit der Saurier zu sprechen trifft also nicht den Kern der Sache. Da muss man sich schon etwas Mühe geben und auch mal im bodendichten Wurzelwerk nachsehen, wo sich spitznasige Minisäuger rumdrückten. Der Luftraum gehörte zwar den Flugechsen, aber zum Ende des Mesozoikums kreisten schon zahlreiche Vögel über den Wäldern. Hätte man damals eine Arche bauen wollen, wäre man gezwungen gewesen, gleich drei weitere mitzubauen nur für die Insekten. Die Haie hätten angemahnt, sie seien auch noch da. Krebse, Brachiopoden und Muscheln, Ammoniten und Belemniten, Foraminiferen, sie alle hätten zu Recht darauf insistiert, mindestens von gleicher Wichtigkeit zu sein wie die Saurier. Was heißt hier Zeitalter der Dinos, hätten sie protestiert. Muss man erst aussterben, um berühmt zu werden? Was, bitte schön, ist ein einziger Brachio- saurus gegen 55 Milliarden Flöhe?
    Womit wir wieder beim Sterben wären. Und bei einigen Ungereimtheiten, die damit einhergehen, soweit es den berüchtigten Exitus der Saurier betrifft.
    Zum besseren Verständnis gehen wir ins Grüne. Stellen Sie sich vor, eine Wespe, eine Spinne, eine Biene, ein halbes Dutzend Blattläuse und zwei unterschiedlich große Fliegen teilen sich in trauter Eintracht einen Quadratdezimeter Gartentisch. Wo die gerade so passend beieinander hocken, holen Sie die Fliegenklatsche und hauen den Verein zu Matsche. Auf einen Schlag sind alle tot, es lässt sich von einem kleinen Massensterben sprechen. Die Ursache ist eindeutig: Alle waren zur falschen Zeit am falschen Ort, also haben Sie die illustre Versammlung platt gemacht.
    Sie wären jedoch höchst verwundert, wenn die große Fliege stirbt, die kleine aber überlebt. Wenn die Läuse zwar hops gehen, die Spinne hinterher aber so tut, als sei nichts gewesen. Wenn die Biene Brei ist, während die Wespe unschuldig fragt: »War was?«
    Aber genau so mutet der berühmte K-T-Übergang an, das Sterben an der Grenze von Kreide zum Tertiär. Was auf dem Land lebte und länger als 1,5 Meter war, ging in die Ewigen Jagdgründe ein. Gleiches galt für 95 Prozent des Planktons. Muscheln und Brachiopoden wurden so gut wie ausgelöscht. Flugreptilien büßten für alle Zeiten ihre Starterlaubnis ein, die Vögel schienen erstaunlicherweise nur wenig betroffen. Während sämtliche Meeresreptilien den Löffel abgaben, überdauerten die Süßwasserkrokodile und die großen Meeresschildkröten. Auch Haie zeigten sich weitgehend unbeeindruckt von der Katastrophe, der wiederum die allerletzten Ammoniten und die Belemniten zum Opfer fielen. Das Massensterben scheint nach einer Art Aschenputtel-Prinzip verlaufen zu sein: die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen. Überraschend glimpflich ging es für die Pflanzenwelt ab, die kurzzeitig einige Bestände an Blütenpflanzen einbüßte, dafür aber umso ausgelassener mit Waldfarnen prunkte.
    Was hatte diesen Effekt bewirkt?
    Hinsichtlich der Saurier vertraten Evolutionshistoriker lange Zeit die Auffassung, die Tiere wären an ihrer Dekadenz zugrunde gegangen wie das alte Rom. Zu viel Geprotze mit Schilden, Panzern, Hörnern und Stacheln, daher ständige Bandscheibenleiden, Rückgang der Gehirne bis hin zur Debilität, quasi zu blöde, um geradeaus zu gehen. Stimmt nicht. Gegen Ende der Kreidezeit lebten die Saurier mit dem größten Hirnvolumen, das je Echsen ihr eigen nennen konnten, die Troodontiden. Auch die vielgestaltigen Panzerungen hatten ihren Sinn. Andere Forscher machten hormonelle Störungen bei Saurierweibchen verantwortlich für den Rückgang des Nachwuchses, wieder andere wollen Godzilla und Co. an Verstopfung eingegangen sehen, weil die ölhaltigen

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