Nachrichten aus einem unbekannten Universum
Schwanz und Flossen. Ein Leichtes, emporzuschießen und den Biss anzubringen, der das Opfer kampfunfähig machte. Diesmal schien niemand in der Nähe, um ihm die Beute streitig zu machen. Er würde fressen und gestärkt weiterziehen. Ruhe und Frieden erfüllten den Megalodon. Jetzt! Der Schlag mit der Schwanzflosse, der Schwung zur Oberfläche, die zappelnde Kreatur zwischen den Zähnen, endlich Nahrung, schlingen, sich sättigen. So vollzog es sich im Kopf des Riesen, während er langsam tiefer sank, sacht verwundert, dass das Sättigungsgefühl ausblieb. Er musste schwimmen, immerfort schwimmen und jagen, doch der Megalodon schwamm nicht mehr.
In 800 Metern Tiefe schlug er auf Grund, Wolken von Schlamm aufwirbelnd. Als sich die ersten Schleimaale und andere Aasfresser einfanden, um den Herrscher der Meere zurück in den Kreislauf der Materie zu befördern, war in dem gewaltigen Leib schon kein Leben mehr.
Zu viele Könige.
Immer wieder, wenn wir Miss Evolutions Werk betrachten, stoßen wir auf dasselbe Phänomen. Sie scheint ein perfides Vergnügen daran zu haben, Herrscher zu erschaffen, um sie anschließend zu stürzen. Warum sterben Lebewesen, die alle Attribute der Unbesiegbarkeit in sich vereinen, überhaupt aus? Beinahe paradox mutet es an, einen Jäger ohne natürliche Feinde wieder aus dem Spiel zu nehmen. Leidet die Dame an einem Titanic-Komplex? Warum erschuf sie den größten Hai aller Zeiten, bloß um ihn nach einigen Jahrmillionen wieder verschwinden zu lassen?
Der Megalodon gehört zu den Lieblingen der Filmindustrie, wenngleich ihm eine ganze Reihe Streifen gewidmet wurden, die allesamt schwer daneben sind. Zuletzt haben die Deutschen mit Ralf Moeller in der Hauptrolle eine echte Gurke produziert, schäbig getrickst und so dilettantisch geschauspielert, dass man für jeden verspeisten Protagonisten dankbar ist. Die Frage, warum eine Spezies wie der Megalodon überhaupt so groß werden konnte, welchen Sinn es hatte, ihn der illustren Kollektion von Haien zuzugesellen, stellt sich in solchen Werken nicht — dabei ist sie die spannendste von allen. Wir neigen dazu, den Abgang einer Spezies überzubewerten, trauern ihr nach und schieben ihren Untergang einer aus den Fugen geratenen Umwelt zu. Schon das ist falsch betrachtet. Die Umwelt gerät nicht aus den Fugen. Wie gesagt, es gibt kein Gleichgewicht der Natur. Die Geschichte des Universums, unseres Sonnensystems, des Planeten Erde, des Lebens, eines jeden Organismus ist die Geschichte wechselseitiger Anpassungsprozesse. Ein Meteoriteneinschlag ist ebenso wenig eine Katastrophe wie eine Katze, die Mäuse frisst, lediglich der Maßstab ist ein anderer.
Wir sollten uns vielmehr fragen, was im Vergehen entsteht.
Kennt man den Grund für das Auftreten neuer Arten, ergeben sich die Szenarien, wann und warum sie wieder verschwinden werden, beinahe automatisch. Angenommen, auf einem Planeten wachsen Bäume, deren Laub hoch über dem Boden sprießt, dann wird die Evolution vermutlich Wesen mit langen Hälsen erschaffen. Spannend zu sehen, wie die Hälse länger und länger werden, wie Miss Evolution das Problem der Durchblutung löst, wie sich die Segmente der schier endlosen Wirbelsäule zu einer gleichermaßen stabilen wie flexiblen Konstruktion vereinen, wie ein Tier, dessen Kopf so weit von seinem Herzen entfernt und so hoch über dem Erdboden liegt, mit seiner besonderen Bauweise zurechtkommt.
Was könnte den Untergang solcher Wesen einleiten? Raubtiere? Im Allgemeinen sorgen die für Regulation, nicht fürs Aussterben. Nein, weiß Klein-Erna, wenn die Langhälse so unbedacht wären, mehr Blätter aufzufressen als nachwachsen, würden sie ganz schön dumm aus der Wäsche gucken. Um Gras zu fressen, ist so ein Tier nicht gemacht. Oder die Bäume würden immer höher werden, dann müssten Tiere mit noch längeren Hälsen her, was irgendwann ins Absurde umschlüge. Klein-Fritz merkt an, andere, weniger behäbige Pflanzenfresser könnten die Fähigkeit entwickelt haben, auf Bäume zu steigen und den Kolossen ihr Futter wegzumümmeln. Die Neulinge brauchten dann kräftige Klauen, um sich in den Ästen hochzuziehen, aber keinen so elend langen Hals, der schrecklich viel Energie zur Aufrechterhaltung des Stoffwechsels verschlingt.
So einfach ist es im Prinzip.
Neue Arten entstehen aus der Notwendigkeit zur Spezialisierung.
Je komplexer die Welt wurde, desto mehr Spezialistenjobs entstanden. Der Koalabär zum Beispiel frisst ausschließlich
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