Nachrichten aus einem unbekannten Universum
Kilo dem Publikum auszuliefern. Wenden Sie die gleiche Energie bei Herrn Pavarotti auf, wird er sich nicht merklich von der Stelle rühren. Ich weiß zwar nicht, wie viel der beste Tenor der Welt heuer wiegt, definitiv aber werden Sie weitaus mehr Energie aufwenden müssen, um den gleichen Effekt zu erzielen wie bei dem Spindeldürren. Pavarottis Masse ist größer und damit auch seine Trägheit. Bezogen auf Himmelskörper heißt das, je schwerer, desto träger, weshalb wir in diesem Zusammenhang von träger Masse sprechen. Hat ein solcher Körper seine Trägheit einmal überwunden und sich in Bewegung gesetzt, erfordert es Energie, ihn wieder abzubremsen — umso mehr, je schneller er dahinrast. Ein wesentlicher Aspekt der Einstein’schen Relativitätstheorie ist folgerichtig die Äquivalenz von Masse und Energie, und italienische Startenöre sind, wenn sie einmal in Schwung geraten, kaum noch zu stoppen.
Laut Einstein zieht Masse einen erstaunlichen Effekt nach sich. Sie erzeugt Gravitation, indem sie sich gewichtig in die Raumzeit schmiegt und sie eindellt. Etwa so, als ob Sie ein Tuch spannen und einen Apfel darauf legen, dessen Gewicht in dem Gewebe eine Kuhle bildet. Platzieren Sie eine gleich große Bleikugel neben den Apfel, wird diese — weil schwerer — eine tiefere Delle erzeugen, in die der Apfel hineinrollt. Ähnlich verhält es sich mit massereichen Körpern wie Monden und Planeten. Die Raumzeit ist unser Tuch, der Apfel der Mond und die Erde das Bleigewicht. Wir sprechen nunmehr von schwerer Masse.
Sehr zu Recht wollen Sie wissen, warum der Mond nicht längst auf die Erde geplumpst ist. Hier kommt ein weiteres Phänomen ins Spiel: die Fluchtgeschwindigkeit. Himmelskörper sind in Bewegung. Wenn ihre Energie bzw. Geschwindigkeit hoch genug ist, kann die Anziehungskraft eines schwereren Körpers ausgeglichen werden — der leichtere Körper umkreist ihn in konstanter Entfernung. Auch diesen Effekt können Sie beobachten, etwa wenn Sie ein Spielkasino besuchen. Naturgemäß wird eine Roulettekugel im Innern einer abschüssigen Scheibe dem Zentrum zustreben, aber solange sie eine gewisse Geschwindigkeit beibehält, bleibt sie am äußeren Rand. Zwei Kräfte werden hier wirksam. Zum einen die Gravitation, mit der die Kugel zum tiefer liegenden Mittelpunkt gezogen wird. Zum anderen die Geschwindigkeit, mit der sie versucht, dem Mittelpunkt in gerader Linie zu entfliehen. Das Resultat ist eine Gleichung, deren Faktoren sich zugunsten des Zentrums — also der Schwerkraft — in dem Maße verschieben, wie die Bewegungsenergie der Kugel abnimmt. Eine zweite Gleichung besagt, dass Sie das Kasino mit unfehlbarer Sicherheit im Zustand des Bankrotts verlassen werden, also stellen Sie das Experiment bitte nicht nach.
Auch Erde und Mond beugen sich dieser Gleichung, was verhindert, dass Frau Luna uns auf den Kopf fällt oder in die Weiten des Alls ausbüxt. Tatsächlich stürzt der Mond auf uns zu. Zugleich schießt er mit einer Fluchtgeschwindigkeit von durchschnittlich 2,4 Sekundenkilometern hinaus ins All. Im Mittel bleibt er uns damit vom Leib, ohne dass wir seiner verlustig gingen. Allerdings differiert seine Entfernung zur Erde ebenso wie die Geschwindigkeit, mit der er seine Bahn zieht. Dies wiederum verdankt sich den Kepler’schen Gesetzen. Johannes Kepler, ein deutscher Astronom, der an der Schwelle vom 16. zum 17. Jahrhundert lebte, beschrieb die Bewegungen der Planeten im Sonnensystem in drei Grundsätzen:
1. »Die Planeten bewegen sich auf Ellipsenbahnen, in deren einem Brennpunkt die Sonne steht.« (Kurz, sie bewegen sich in Ellipsen um die Sonne.)
2. »Der Fahrstrahl von der Sonne zum Planeten überstreicht in gleichen Zeiten gleiche Flächen.« (Simpler: In Sonnennähe bewegt sich ein Planet schneller als in Sonnenferne.)
3. »Das Verhältnis aus den 3. Potenzen der großen Halbachsen und den Quadraten der Umlaufzeiten ist für alle Planeten konstant.« (Ein wahrhaftes Ungetüm von Gesetz, das die Verhältnisse zwischen den Umlaufzeiten und den mittleren Abständen der Planeten zur Sonne definiert. Kepler fand heraus, dass sich der Quotient der Umlaufzeit zum Quotienten des durchschnittlichen Abstands eines Planeten immer 2 zu 3 verhält — das Teilungsverhältnis einer Quinte. So was liebt die Wissenschaft, perfekte Harmonie und mathematische Schönheit. Kepler war selbst entsprechend begeistert: »Allein es ist ganz sicher und stimmt vollkommen, dass die Proportion, die zwischen den
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