Nachrichten aus einem unbekannten Universum
mehrfach zurückdatiert werden musste, und wer weiß — vielleicht gibt es ja doch noch mehr Megalodons, als wir uns alpträumen lassen.
Verlässlich können wir Folgendes sagen:
Gegen Ende des Tertiär wird es allmählich kälter. Mit dem Beginn des Quartär vor ungefähr, etwa, circa 1,7 Millionen Jahren sinkt die mittlere Jahrestemperatur auf 10 Grad Celsius ab, in der Tiefsee verbleiben 1,5 Grad Celsius. Schließlich kommt es zum vorläufig letzten Eiszeitalter, aufgeteilt in vier große Eiszeiten, allesamt benannt nach Flüssen: die Günz-Eiszeit (vor 640.000 bis 540.000 Jahren), die Mindel-Eiszeit (480.000 bis 430.000 Jahre), die RißEiszeit (240.000 bis 180.000 Jahre) und die Würm-Eiszeit (120.000 bis 10.000 Jahre), die vor 20.000 Jahren ihren Höhepunkt erreichte und den mitteldeutschen Sommer auf den Gefrierpunkt brachte. Zwischendurch zog sich das Eis zurück, mitunter bluffte es mit Mini-Eiszeiten wie zu Beginn des 17. Jahrhunderts, als 150 Jahre lang die nördlichen Gletscher vorrückten. Während der Vereisungen lag ein Drittel des Festlandes unter einem Panzer aus gefrorenem Schnee, und niemand hätte im Meer baden wollen. 4 bis 12 Grad kaltes Oberflächenwasser ist allenfalls etwas für finnische Küstenbewohner und isländische Popstars. Der Nordatlantik war teilweise zugefroren, Treibeis gelangte bis Marokko und Portugal. Der Meeresspiegel fiel, und an Land liefen Neandertaler und Homo sapiens sapiens zur Höchstform auf — wir wären heute nicht so schrecklich klug, hätten widrige Umstände unsere Ahnen nicht zur Dynamisierung ihrer Hirnmasse veranlasst. Wer überleben will, muss sich was einfallen lassen. Mit dem Rückgang der letzten Eiszeit stieg der Meeresspiegel wieder, ein Umstand, dem wir beispielsweise die Ostsee verdanken, und die Schneegrenze in den Alpen rückte auf weit über 1.000 Meter nach oben.
Heute leben wir, wie schon erwähnt, in einer Zwischeneiszeit, denn noch liegen die Pole unter Eis. Irgendwann werden die Gletscher auch von dort verschwinden, um in ferner Zukunft wiederzukehren. Wir sorgen uns zu Recht um den weltweiten Anstieg des Meeresspiegels, weil er unsere Lebensgewohnheiten über den Haufen zu werfen droht, doch erdhistorisch betrachtet ist das ein Klacks.
Die letzten Sekunden unserer Zeitreise genießen wir beim Blick auf kuriose Gestalten, auf Tang mummelnde Meeresfaultiere und zahnlose antarktische Delphine, die Tintenfische schlürfen wie unsereiner Austern. Einiges kommt uns sonderbar vor, ansonsten erblicken wir eine Unterwasserwelt, die der heutigen fast völlig gleicht. Während an Land Mammut, Mastodon und Säbelzahnkatzen aussterben, bildet sich das Leben im Meer zu dem heran, was es zu Beginn des 21. Jahrhunderts sein wird und immer war: zu einem unbekannten Universum.
Taucherbrille auf und Flossen an. Wir gehen runter.
HEUTE
Hinterm Mond
Angeschmiert. Wir gehen hoch.
Pardon, aber als Astronaut erfährt man eine ganze Menge über das Meer. Man kann zum Beispiel auf dem Mond landen und beim Blick auf die entfernte Erde feststellen, dass man diesen Flug nie hätte unternehmen können ohne Mond. Erstens, weil es keinen gäbe. Zweitens, weil es ohne Mond auch keine Astronauten gäbe. Und keine Leute, die Raketen bauen, keine Menschen, die Verschwörungstheorien aufstellen, wonach die Amerikaner niemals auf dem Mond gelandet sind, nichts und niemanden, der uns gliche — ergo auch keine Autoren, um der Frage nachzugehen, was das Meer mit dem Mond zu tun hat.
Nun, es buckelt vor ihm. Man kann auch sagen, es fühlt sich zu ihm hingezogen.
Erinnern wir uns der frühzeitlichen Kollision, als Theia, der Riesenasteroid auf Krawallkurs, die Erde rammte und beinahe zerschlagen hätte. Stattdessen erholte sich der Planet, wurde schwerer und erfreut sich seither eines ständigen Begleiters. Auch der Mond hat Masse, wenngleich weit weniger als die Erde. Aber es reicht, um Einfluss geltend zu machen.
Was ist gleich nochmal Masse? Physikalisch gesehen die Trägheit eines Körpers, soll heißen, der Widerstand, den er einer Änderung seines Bewegungszustands entgegensetzt. Stellen Sie sich vor, Luciano Pavarotti und ein spindeldürrer Nachwuchstenor stehen am Bühnenrand und haben keine Lust aufzutreten. Sie geben dem Nachwuchstenor einen kräftigen Schubs, und schon verändert er seine Position und stolpert ins Scheinwerferlicht. Angenommen, der Mann wiegt 52 Kilo, hat die Energie, mit der Sie ihm auf die Sprünge geholfen haben, ausgereicht, 52
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