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Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Titel: Nachrichten aus einem unbekannten Universum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Umlaufzeiten irgend zweier Planeten besteht, genau das Anderthalbe der Proportion der mittleren Abstände, d.h. der Bahnen selber, ist.«)
    Was für Planeten gilt, trifft auch für den Mond zu. Folgerichtig ist er der Erde mal näher — gut 356.000 Kilometer — und mal ferner — knapp 385.000 Kilometer —, ebenso wie er in Erdnähe ein bisschen schneller und weiter von ihr entfernt geringfügig langsamer wird. Dabei umrundet er unseren Planeten in etwas mehr als 27 Tagen. Seine Masse entspricht 0,0123 Erdmassen. Alle Faktoren zusammen wirken sich spürbar auf unsere Heimat aus, denn Gravitation ist wechselseitig. Nicht nur die Erde zieht den Mond an, sondern er seinerseits auch die Erde. Weil er der Kleinere und Schwächere von beiden ist, kann er nicht erwarten, dass die Erde ihn umrundet, dafür setzt er dort einiges in Bewegung. Sogar die Erdkruste hebt er bis zu einem Viertelmeter an, vor allem aber die Meere. Der Mond regelt die Gezeiten. Alles Wasser auf der ihm jeweils zugewandten Seite wird zu einem Flutberg aufgeschichtet, ein weiterer Berg bildet sich auf der gegenüberliegenden Erdseite.
    Im ersten Moment ist man verwirrt: Wo kommt der andere Flutberg her? Schließlich gibt es dort keinen zweiten Mond. Verständlich wird es, wenn man einen zusätzlichen Faktor einbezieht: die Fliehkraft der Erde. Dazu muss man wissen, dass unser Planet zwar einen Mittelpunkt hat, sich aber nicht exakt um diesen dreht. Vielmehr bilden Erde und Mond aufgrund ihrer wechselseitigen Einflussnahme ein Gesamtsystem, das einen gemeinsamen Schwerpunkt umkreist, und der liegt einige tausend Kilometer vom Erdmittelpunkt entfernt. Die Erde schlingert darum ein bisschen, als sei sie betrunken. Als Folge dieses Schlingerns entsteht der zweite Wasserberg auf der Seite, die dem Mond abgewandt ist.
    Komplex? Es kommt noch dicker. So wie Frau Luna die Erde umrundet, zieht diese ihre Bahn um die Sonne, eingefangen von deren enormer Masse, und tut dies — brav den Kepler’schen Gesetzen folgend — in Form einer Ellipse. Auch die Sonne übt eine Anziehungskraft auf unseren Planeten aus, wenngleich nur ein Drittel so stark wie der Mond. Je nach Entfernung zur Sonne oder der Konstellation umliegender Planeten (die ja alle ihre Masse ins Spiel bringen) kann diese Anziehungskraft differieren — auf alle Fälle aber spielt die liebe Sonne in der Gravitationsgleichung eine wichtige Rolle.
    Speziell Sonnenfinsternisse sind Ereignisse, während derer das Meer gern aus dem Bett steigt. Dann nämlich liegen Sonne, Mond und Erde auf einer Achse, und die gravitativen Kräfte summieren sich. Das Resultat sind Springfluten. Bilden die drei hingegen einen rechten Winkel, mit der Erde im Scheitelpunkt, konkurrieren Sonne und Mond in Sachen Schwerkraft miteinander. Man kann auch sagen, die Sonne nimmt dem Mond den Wind aus den Segeln, und die Gezeiten fallen gemäßigter aus.
    Jegliches Wasser auf der Erde ist den kosmischen Kräften unterworfen. Menschen, die ihr Leben nach Frau Luna regeln, behaupten darum gerne, bei Vollmond selber ins All gehievt zu werden, schließlich bestünde ihr Körper ja zu gut zwei Dritteln aus H 2 O Stimmt. Nur wenn man die Gravitationsgleichung auf Menschen anwendet, wird die Auswirkung verschwindend gering. Es ist schon was anderes, ob Mond und Pazifik aneinander zerren oder Frau Luna an Frau Schmitz, die rechnerisch viel eher Gefahr liefe, der Schwerkraft ihres Frühstückseis zu erliegen. Und wann hätte man je gesehen, dass Menschen Eier umkreisen oder auf deren Oberfläche stürzen.
    Ein Ozean fällt da schon mehr ins Gewicht. Nach unserem Exkurs in Einstein’sche und Kepler’sche Welten wissen Sie jetzt, dass die Meere vom Mond angezogen werden, ihrerseits aber auch auf diesen einwirken, als seien sie durch ein Gummiband mit ihm verbunden. Hinzu kommt, dass der Trabant unseren Globus zwar binnen 27 Tagen umrundet, die Erde jedoch um einiges schneller rotiert. Dadurch stehen die Flutberge nie direkt unter dem Mond, sondern verdrehen sich im Bemühen, ihre Plätze einzunehmen, müssen Kontinente umfließen, den Reibungswiderstand des Meeresbodens überwinden, sind also immer ein bisschen spät dran. Als Folge beeinflussen sie das Drehmoment des Mondes, der jährlich 3,28 Zentimeter von uns wegdriftet — in der Frühzeit war er uns wesentlich näher. Damals lag die Drift-Rate niedriger, weil die Kontinente zu einer einzigen Landmasse verklumpt waren und das Wasser der Mondposition schneller zu folgen vermochte.

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