Nachrichten aus einem unbekannten Universum
wie die Toskana.
Hä?
Nein, der Autor leidet nicht an Schlafmangel, hat nicht getrunken und nichts Schlechtes geraucht. Die Meere sind nicht plan. Vergessen Sie alles, was Sie über schwimmenden Estrich je gehört haben. Die Ozeane dellen sich zu Tälern ein und wölben Gebirgszüge hoch. Die Rede ist nicht von Wellen, wohlgemerkt! Ozeane sind Buckelpisten von gigantischen Ausmaßen. So kann es während einer Atlantiküberquerung geschehen, dass man im Laufe eines Tages Höhendifferenzen von bis zu 130 Metern überwindet.
Es bedurfte moderner Satellitentechnologie, um zu erkennen, was die schöne runde Erde in Wirklichkeit ist: ein verbeultes Ei. In den achtziger Jahren des vorangegangenen Jahrhunderts schoss die amerikanische Marine einen Radarsatelliten namens Geosat in eine polnahe Umlaufbahn, der die Oberfläche der Weltmeere kartieren sollte. Man ahnte bereits, dass der Meeresspiegel nicht überall gleich hoch lag. Radar vermag Wasser nicht zu durchdringen, sondern wird von seiner Oberfläche reflektiert wie von Beton — die Methode versprach also recht präzise Daten zu liefern. Aber niemand war vorbereitet auf das, was Geosat schließlich enthüllte: Berge und Senken, Aufragungen und Einmuldungen. Südlich von Indien lag der Meeresspiegel 170 Meter tiefer als im nördlichen Atlantik. Nördlich von Australien türmte sich ein 85 Meter hoher Berg auf, längs durch den Atlantik verlief ein gewaltiger Hügelkamm. Allerorten fanden sich kleinere Niveauunterschiede von rund zehn Metern. Ein seltsam vertrautes Muster zeichnete sich ab, bis ein paar Wissenschaftlern plötzlich aufging, was sie da vor sich hatten: die Blaupause unterseeischer Gebirge! Sie waren es, die sich an der Wasseroberfläche manifestierten. Nicht im Detail zwar, aber doch in groben Zügen.
Die Konsequenz war atemberaubend. Um ungefähr zu wissen, wie es am Grund der Ozeane aussah, musste man lediglich die Kartierungsdaten der Oberfläche studieren.
Nur, was bewirkte den Effekt? Eine Weile dauerte es, bis man alle Gründe kannte. Es sind mehrere. Den vielleicht größten Anteil hat die Schwerkraft. Wir erinnern uns der Definition von Masse und aller daraus resultierenden Konsequenzen. Je mehr Masse ein Körper hat, desto stärker ist seine Anziehungskraft. Das gilt indes nicht nur für Himmelskörper untereinander, sondern ebenso für jegliche Materie auf der Oberfläche und im Inneren unseres Planeten. Alles, was Masse hat, besitzt ein eigenes Schwerefeld, über das es in Wechselwirkung mit anderen Körpern tritt. Auch der Meeresboden zieht auf diese Weise Wasser an. Fügt man ihm Masse hinzu, etwa indem man einen Berg draufsetzt, muss seine Anziehungskraft an dieser Stelle folgerichtig stärker werden. Man sollte glauben, im Meer entstünde eine Delle. Erstaunlicherweise ist das Gegenteil der Fall. Das umliegende Wasser wird seitlich zum Berg hingezogen und schichtet sich zu einem Buckel. Über Tiefseegräben wiederum fällt der Meeresspiegel ab. Als Folge erhält man so ein morphologisches Profil des Bodens, ohne sich die Zehen nass zu machen.
Leider zeigte sich schnell, dass die Sache einen Schönheitsfehler hatte. Denn auch über einigen Tiefebenen wölbt sich das Wasser, dort wo der Boden flach ist und eindeutig keine unterseeischen Erhebungen aufweist. Nach einigem Kopfzerbrechen gelang es, auch diesen Effekt der Schwerkraft zuzuordnen. Je weiter nämlich Meeresboden vom Mittelozeanischen Rücken, wo er entsteht, wegdriftet, desto älter und kälter wird er. Und was abkühlt, das wird dichter. Wer sich jemals an Souffles versucht hat, weiß um die Folgen raschen Erkaltens. Die Leckereien werden platt wie Flundern, ohne an Masse zu verlieren. Ein verunglücktes Souffle wiegt aufs Gramm genau dasselbe wie ein gelungenes, auch wenn dieses größer erscheint. Tatsächlich ist es lediglich poröser, so wie frisch erstarrte Lava vom Mittelozeanischen Rücken poröser ist als alter, kalter Meeresboden. In den fraglichen Regionen fanden sich bei näherer Untersuchung sehr alte, stark komprimierte Gesteine, Flachebenen zwar, allerdings von der Masse stattlicher Gebirge.
Ein gutes Beispiel, wie sich die Topographie des Meeresbodens auf die Wasseroberfläche auswirkt, liefern die griechischen Gewässer. Etwa, wenn Sie den Meeresspiegel im Kanal von Korinth mit dem im Hafen von Patras vergleichen — letzterer liegt sieben Meter tiefer. Südlich von Kreta durchzieht ein lang gezogenes, flaches Tal die See, und tatsächlich finden wir dort
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