Nachrichten aus einem unbekannten Universum
und sind an Bord eines Schiffes gegangen, mitten hinein in heftige See. So weit sind wir ins unbekannte Universum vorgestoßen, dass uns das Wasser aus den Haaren rinnt, der Sturm geräuschvoll in unserer Jacke knattert und unsere Mundwinkel sich mit Salz verkrusten. Neben uns steht der selige Bömmel aus der Feuerzangenbowle, hat seine Schuhe ausgezogen und sagt:
»Jetz stelle mer uns emal janz dumm und frajen: Wat is en Well’?«
Genau, Herr Lehrer. Warum ist Wasser nicht glatt? Goethe wusste es und hat in seinem Gesang der Geister über den Wassern die Antwort gegeben. Der Wind ist schuld. Stimmt. Leider begeht der Dichter nachfolgend einen Kardinalfehler, indem er den Wind auf den Meeresgrund schickt: »Wind mischt vom Grund aus schäumende Wogen.« Nein, eben das tut er nicht. Der Wind bewegt lediglich die Oberfläche — was allerdings oft genug reicht, um uns über die Planke der nackten Existenz zu treiben.
Bömmel sagt, wir müssen vorher anfangen.
Also gut: »Wat is Wind?« Zu seiner Entstehung braucht man vor allem zweierlei: eine Atmosphäre, also ein Gasgemisch von einer gewissen Dichte, sowie eine Sonne, um das Gemisch aufzuheizen. Anders gesagt, um die Luftteilchen in einen höheren Energiezustand zu versetzen, wodurch sie umherzuflitzen beginnen, ihre Abstände sich vergrößern und das Gemisch an Dichte verliert. Allerdings wird die irdische Atmosphäre nicht gleichmäßig erwärmt und wieder abgekühlt. Auf einer Seite des Globus scheint schon mal stundenlang gar keine Sonne. Auf der anderen Seite erreicht uns Wärme in unterschiedlicher Intensität. Im Norden etwa bleiben die Temperaturen niedriger als am Äquator, zudem regeln Wolken die Verteilung von Energie. Die Luft gerät in verschieden starke Bewegungs- und Dichtezustände, und es entstehen die berühmten Hoch- und Tiefdruckgebiete, mit denen Jörg Kachelmann den Wetterfrosch über die Leiter jagt.
Nun ist alles in der Natur auf Ausgleich bedacht. Tiefdruckgebiete sind Regionen mit einem geringeren Luftdruck, als er in umliegenden Gebieten herrscht. Demgegenüber weist sich ein Hochdruckgebiet durch höheren Druck aus: Hier sinken Luftmassen großflächig ab und erwärmen sich, was zur Folge hat, dass die Feuchtigkeit nicht kondensiert und keine Wolken entstehen. Darum ist uns das Hoch so sympathisch. Dicht über dem Boden angelangt, verteilen sich die abgesunkenen Luftmassen und breiten sich in benachbarte Tiefdruckgebiete aus, um genau den Ausgleich herzustellen, den der zweite Hauptsatz der Thermodynamik verlangt. Diesem zufolge müssen Luftteilchen gleichmäßig verteilt sein, überhaupt jegliche Teilchen. Hat man beispielsweise drei Kinder und sechs Puddingteilchen, muss jedes Kind zwei bekommen, andernfalls gibt es ein schweres Gewitter.
Aufgrund dieses Ausgleichsprinzips ist die Atmosphäre in ständiger Bewegung. Sie strömt von hier nach dort, und dieses Strömen nennen wir Wind. Wie stark Winde ausfallen, hängt von den Dichteunterschieden in den Hoch- und Tiefdruckgebieten ab. Stellen Sie sich das Ganze als schräge Ebene vor: oben das Hochdruck-, unten das Tiefdruckgebiet. Fallen beide mäßig aus, rutschen die Luftteilchen moderat die Schräge herab, und wir erhalten eine angenehme Brise. Je größer der Unterschied, desto steiler wird unsere Schräge, bis die Luft mit Karacho nach unten saust. In diesem Fall gibt’s Sturm. Aus physikalischen Gründen ist der Beschleunigung des Windes eine Obergrenze gesetzt; weshalb er nicht schneller wehen kann als mit 520 Stundenkilometern. Ein Narr, wen das beruhigt — der Hurrikan, der im August 2005 New Orleans unter Wasser setzte, war gerade mal halb so schnell.
Wenn nun der Wind übers Land fegt, entsteht Reibung. Land leistet Widerstand, Stürme geraten zu Kraftproben. Bäume kann ein Orkan zwar entwurzeln, auch Gebäude zertrümmern. Das Land selber jedoch widersteht seiner Gewalt und bremst ihn ab.
Wasser verhält sich da anders.
Sein molekularer Verbund ist instabil. Wenn Wind auf Wasser trifft, wühlt er es auf. Bis in die Tiefen dringt er dabei nicht vor. An der Oberfläche jedoch versetzt er die Wasserteilchen in Bewegung. Bemerkenswert ist, dass diese dabei nicht ihre Position verändern. Der Wind entwurzelt sie nicht wie Bäume, die Hunderte von Metern durch die Luft gewirbelt und ganz woanders wieder abgesetzt werden. Sie bleiben, wo sie sind, vollführen jedoch eine Art Purzelbaum. Jedes Kind kennt das: Setzt man ein Spielzeugschiffchen auf einen See, über den
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