Nachrichten aus einem unbekannten Universum
kleine, kräuselnde Wellen wandern, schwimmt es auf der Stelle. Das täte es nicht, wenn Wasser vom Wind woandershin transportiert würde. Es ist aber nur die Wellenform, die sich fortpflanzt. Sämtliche Wasserteilchen geraten so in Schwingung, schießen hoch und sinken ab, rempeln ihren Nebenmann an, der seinerseits in Kreisbewegung verfällt. Bei mäßigem Wind sieht man besagte Kräuselwellen, je stärker er bläst, desto höher werden die Wellenkämme, einhergehend mit einer entsprechend größeren Wellenlänge.
Theoretisch, da der Wind das Wasser aufpeitscht und hochdrückt, müsste eine einzige Welle von immer gewaltigeren Ausmaßen entstehen, die — sagen wir — nach Westen driftet, wodurch sich das Meeresbecken im Osten allmählich leert. Tatsächlich ist starker Wind in der Lage, große Wellen zu erzeugen. Das Meer lässt sich aber nicht so einfach aus seinem Bett verscheuchen. Auch hier spielt das Ausgleichsprinzip eine wichtige Rolle. Gemäß des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik ist eine Flüssigkeit bestrebt, entstandene Leerräume wieder auszufüllen. Die Gravitation zieht ihre Teilchen immer zum Mittelpunkt des Planeten. So kann ein Orkan durchaus Wellen 15 Meter hoch auftürmen und entsprechende Täler erzeugen, doch sobald der Sturm nachlässt, pendelt sich alles wieder ein. Die Wellenform wird flacher, bis sie schließlich — bei völliger Windstille — in eine gerade Linie übergeht (ganz gerade Linien gibt es in der Natur indes nicht. Selbst wenn wir keinerlei Wind mehr wahrnehmen, sind noch kleinere Luftwirbel messbar).
Von Hurrikans bleibt man in Deutschland weitgehend verschont, Orkane blasen allerdings öfter übers Land. Warum also haben wir auf dem Ententeich von Kleinknollendorf keine 15 Meter hohen Wellen? Ganz einfach: Die Höhe der Welle bemisst sich an der Wellenlänge. Riesenwellen auf dem Ozean weisen entsprechend ausgedehnte Täler auf. Eine Wasserfläche muss aber groß genug sein, damit solch immense Wellenlängen überhaupt auf ihr Platz finden können, und weil Wellentäler in ihrer Tiefe immer der Höhe des Wellenkamms entsprechen, ist auch eine gewisse Wassertiefe vonnöten. Der Kleinknollendorfer Ententeich bleibt aber deutlich hinter der Ausdehnung des Atlantiks zurück, sehr zur Freude der Enten, die sonst seekrank würden und von alten Damen kein Brot mehr annähmen.
Vom Wellenberg spricht man, weil Wellen wie Berge geneigte Flanken haben. Auch Berge auf dem Land benötigen Ausdehnungsflächen, die ihrer Höhe äquivalent sind, selbst wenn sie steil in die Höhe wachsen. Allerdings sind Wogen mit bequem zu erklimmenden Flanken nicht die Norm. Auch Wellen können mit der Zeit steiler werden. Ein Prozess, den Sie erleben, wenn Sie sich ein Stündchen an den Strand legen, eingedenk dessen, dass Wasserteilchen nicht übers Meer getrieben werden, sondern Riesenrad fahren. Zugleich wissen Sie, dass sich die Wellenform sehr wohl fortpflanzt, und zwar mit einer Geschwindigkeit, die sich am Tempo des Windes bemisst. Nun wirkt sich Wind nur in den oberen Wasserschichten aus. Selbst bei verheerenden Jahrhunderthurrikans herrscht spätestens ab 200 Meter Wassertiefe Ruhe. Steigt der Meeresboden zum Land hin an, bringt die Welle die dort befindlichen Wasserteilchen jedoch in Bedrängnis. Auch sie würden gerne Salto schlagen, aber dabei stoßen sich einige von ihnen am Untergrund die Köpfe. Ihre Bahnen verzerren sich, werden flach und elliptisch. Was nun folgt, ist einem Auffahrunfall vergleichbar. Unten wird die Welle verlangsamt, oben reist sie flott weiter. Dadurch beginnen sich die Teilchen übereinander zu schichten, und die Welle nimmt an Höhe zu.
Gleichzeitig wird sie steiler. Die oberen Wasserteilchen streben zum Land, die unteren kommen so schnell nicht nach, bis schließlich die Grenzsteilheit überschritten ist. Sobald die Wellenhöhe das 1,3- Fache der Wassertiefe überschritten hat, verliert sie dramatisch an Geschwindigkeit, kippt vornüber, beginnt zu brechen, stürzt in sich zusammen, schäumt und verwirbelt, kriecht ein Stück den Strand hoch und ist Geschichte.
Klein-Fritz, der schon so klug über den Sinn und Unsinn langhalsiger Pflanzenfresser zu philosophieren wusste, steht grinsend am Strand und sagt, das sei alles Blödsinn. Fritzchen ist nämlich aufgefallen, dass Wellen sehr wohl Wasser transportieren. Alle paar Sekunden schäumt es über seine Füße und durchnässt den Sand, um sich wieder zurückzuziehen, und dann kommt die nächste Welle, und
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