Nachrichten aus Mittelerde
Nebenbuhlerschaft verwandelte sich schließlich in Hass, der tiefer war, weil er verborgen wurde, und desto bitterer, weil Saruman in seinem Herzen wusste, dass der Graue Wanderer die größere Stärke besaß und den größeren Einfluss auf die Bewohner Mittelerdes, wenn er auch seine Macht verbarg und weder Furcht noch Ehrerbietung verlangte. Saruman verehrte ihn nicht, doch er begann ihn zu fürchten, weil er immer im Ungewissen blieb, inwieweit Gandalf seine geheimsten Gedanken durchschaute, und er wurde durch sein Schweigen mehr beunruhigt als durch seine Worte. So kam es, dass er Gandalf offen mit weniger Ehrerbietung behandelte, als es andere der Weisen taten, und er war stets bereit, ihm zu widersprechen und seine Ratschläge abzutun; insgeheim dagegen merkte er sich alles, was Gandalf sagte, und grübelte darüber nach und ließ jede seiner Bewegungen beobachten, soweit er dazu imstande war.
Auf diese Weise geschah es, dass Saruman anfing, den Halblingen und dem Auenland seine Aufmerksamkeit zuzuwenden, die er sonst der Beachtung nicht für wert gehalten haben würde. Zuerst hatte er keine Ahnung, dass das Interesse seines Nebenbuhlers an diesem Volk in gewissem Zusammenhang mit den großen Angelegenheiten des Rates stand, besonders nicht mit den Ringen der Macht. Denn am Anfang gab es einen solchenZusammenhang tatsächlich nicht, und Gandalfs Interesse war nur auf seine Liebe zu dem Kleinen Volk zurückzuführen, es sei denn, er spürte jenseits seines wachen Verstandes in seinem Herzen eine tiefe Vorahnung. Viele Jahre lang hatte er das Auenland unverhohlen besucht und erzählte jedem von dessen Volk, der zuhören wollte; und Saruman lächelte wie über die eitlen Geschichten eines alten Landfahrers, doch nichtsdestotrotz war er auf der Hut.
Als er dann feststellte, dass Gandalf das Auenland für würdig hielt, es zu besuchen, tat er es ihm nach, doch verkleidet und unter äußerster Geheimhaltung, bis er alle Wege und Landstriche erkundet und sich eingeprägt hatte und danach glaubte, er habe alles erfahren, was man über das Auenland wissen musste. Und selbst als es ihm nicht länger klug oder nützlich erschien, dorthin zu gehen, hatte er dennoch Spione und Diener, die das Land betraten oder ein wachsames Auge auf seine Grenzen hatten. Denn er war noch immer misstrauisch. Er war selbst so weit gesunken, dass er glaubte, jedes der anderen Ratsmitglieder habe verborgene und weitreichende Pläne zur eigenen Erhöhung, auf die alles, was sie taten, in gewisser Weise zurückzuführen sein musste. Als er also viel später etwas darüber erfuhr, dass der Halbling Gollums Rings gefunden hatte, konnte er nur glauben, dass Gandalf dies die ganze Zeit gewusst hatte; und das war sein größter Kummer, weil er alles, was die Ringe betraf, als sein ureignes Feld ansah. Dass Gandalfs Misstrauen gegen ihn verdient und berechtigt war, minderte seine Wut in keiner Weise.
Doch in Wahrheit hatten Sarumans Spionieren und große Heimlichkeit anfangs kein böses Ziel, sondern waren nicht mehr als eine aus Stolz hervorgegangene Torheit. Unbedeutende Dinge, die es nicht wert schienen, festgehalten zu werden, konnten sich doch am Rande als sehr wichtig erweisen. Die Wahrheit war nun folgende: Saruman hatte Gandalfs Vorliebefür das Kraut bemerkt, das er ›Pfeifenkraut‹ nannte (allein schon dieses Krautes wegen, sagte er, sollte man das Kleine Volk ehren), und es hatte ihm gefallen, darüber zu spotten, doch insgeheim machte er einen Versuch damit und begann bald, es zu gebrauchen; und aus diesem Grund blieb das Auenland für ihn so wichtig. Doch er befürchtete, dass dies entdeckt, sein eigener Spott gegen ihn selbst gerichtet werden und er wegen seiner Nachahmung Gandalfs ausgelacht und wegen seiner Heimlichtuerei verspottet werden könnte. Dies war damals der Grund für die große Heimlichkeit in seinem ganzen Umgang mit dem Auenland, selbst als zu Anfang noch kein Schatten des Zweifels auf das Land gefallen, es kaum bewacht und offen für diejenigen war, die es zu betreten wünschten. Deshalb hörte Saruman auch auf, persönlich dorthin zu gehen; denn es kam ihm zu Ohren, dass er von den scharfäugigen Halblingen nicht ganz unbeobachtet geblieben war; und einige, die die Gestalt sahen, als wäre es die eines alten Mannes, der in Grau oder Rostbraun gekleidet sich durch die Wälder stahl oder durch die Dämmerung schlich, hatten ihn mit Gandalf verwechselt.
Danach suchte Saruman das Auenland nicht mehr auf, denn er
Weitere Kostenlose Bücher