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Nachrichten aus Mittelerde

Nachrichten aus Mittelerde

Titel: Nachrichten aus Mittelerde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher J. R. R.; Tolkien Tolkien
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Figuren dienten nicht bloß der Beleidigung ihrer Feinde; denn die Orks fürchteten sie und glaubten, dass die Arglist der
Oghor-hai
ihnen innewohne (denn so nannten sie die Drúedain), die mit ihnen in Verbindung stünden. Deshalb wagten sie es kaum, sie zu berühren, versuchten nicht, sie zu zerstören, und wenn sie nicht in großer Zahl waren, wichen sie vor einem ›Wacht-Stein‹ zurück und gingen nicht weiter.
    Doch von allen Fähigkeiten dieses merkwürdigen Volkes war vielleicht die bemerkenswerteste, dass sie es vermochten, viele Tage lang in äußerstem Schweigen und in Bewegungslosigkeit auszuharren, wobei sie mit gekreuzten Beinen dasaßen, die Hände auf den Knien oder im Schoß, die Augen geschlossen oder auf den Boden gerichtet. Hierüber wurde unter Haleths Volk diese Geschichte erzählt:
     
    Einer der geschicktesten Bildhauer unter den Drûgs schuf einmal ein Bildnis seines Vaters, der gestorben war; und er stellte es auf einem Pfad in der Nähe ihrer Behausung auf. Dann setzte er sich daneben nieder und verfiel in ein tiefes Schweigen der Erinnerung. Es geschah nun, dass ein wenig später zufällig ein Waldbewohner auf einer Reise in ein entferntes Dorf vorüberkam, und als er zwei Drûgs sah, verbeugte er sich und wünschte ihnen einen guten Tag. Doch er erhielt keine Antwort, und er stand einige Zeit überrascht da und betrachtete sie eingehend. Darauf setzte er seinen Weg fort und sagte zu sich selbst: »Ihre Geschicklichkeit als Bildhauer ist groß, doch niemals habe ich etwas gesehen, das lebenswahrer war.« Drei Tage später kehrte er zurück, und weil er sehr müde war, setzte er sich nieder und lehnte sich mit dem Rücken an eine der Figuren. Er warf seinen Umhang zum Trocknen über ihre Schulter,denn es hatte geregnet, doch jetzt brannte die Sonne heiß. Dort schlief er ein; aber nach einer Weile weckte ihn eine Stimme, die von der Figur hinter ihm kam. »Ich hoffe, Ihr habt Euch ausgeruht«, sagte sie, »doch wenn Ihr weiterschlafen wollt, bitte ich Euch, Euch zum anderen zu bemühen. Er wird es niemals wieder nötig haben, seine Beine auszustrecken; und Euer Umhang ist mir in der Sonne zu warm.«
     
    Es heißt, dass die Drúedain in Zeiten des Kummers oder Verlustes oft auf diese Weise dasaßen, doch manchmal auch in vergnüglichem Nachdenken oder beim Pläneschmieden. Doch sie konnten ihre Reglosigkeit auch nutzen, wenn sie auf der Wacht waren. Dann standen oder saßen sie im Schatten verborgen, und obwohl ihre Augen geschlossen zu sein oder ins Leere zu starren schienen, ging niemand vorbei oder kam in die Nähe, den sie nicht bemerkten und im Gedächtnis behielten. Ihre unsichtbare Wachsamkeit war so durchdringend, dass sie von Eindringlingen wie eine feindselige Bedrohung wahrgenommen wurde und sie sich vor Furcht zurückzogen, ehe eine Warnung erfolgte; doch wenn etwas Böses geschah, dann stießen sie als Signal einen schrillen Pfiff aus, der in unmittelbarer Nähe nur unter Schmerzen zu ertragen und weit zu hören war. Die Dienste der Drúedain als Wachen wurden in Zeiten der Gefahr von Haleths Volk sehr geschätzt; und wenn sie nicht zur Verfügung standen, bediente man sich menschenähnlicher Figuren, die man in der Nähe der Häuser aufstellte und von denen man glaubte, dass sie (von den Drúedain zu diesem Zweck angefertigt) ein wenig vom drohenden Aussehen lebender Menschen vermittelten.
    Obwohl das Volk Haleths den Drúedain echte Liebe und Vertrauen entgegenbrachte, glaubten viele, dass sie unheimliche und wunderbare Kräfte besaßen; und unter ihren Geschichten von Wundern waren einige, die hiervon handelten. Eine davon ist hier aufgezeichnet.
     
    Der getreue Stein
     
    Es lebte einmal ein Drûg namens Aghan, der als Heilkundiger wohlbekannt war. Er unterhielt eine enge Freundschaft mit Barach, einem Waldbewohner aus der Familie, die in einem Haus in den Wäldern wohnte, das zwei Meilen oder mehr vom nächsten Dorf entfernt lag. Die Behausungen von Aghans Familie waren näher, und er verbrachte den größten Teil seiner Zeit mit Barach und seiner Frau und wurde von deren Kindern sehr geliebt. Da brach eine sorgenvolle Zeit an, denn eine Anzahl von Orks war heimlich in die nahen Wälder eingedrungen und stellte in Gruppen zu zweien oder dreien jedem nach, der draußen allein umherging, und überfiel nachts einsam gelegene Häuser. Barachs Familie fürchtete sich nicht sehr, denn Aghan blieb über Nacht bei ihnen und hielt draußen Wache. Aber eines Morgens kam er zu

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