Nachrichten aus Mittelerde
verbreitet, sogar in den Tiefen der Wälder.
Darum hoben sie ihn jetzt ehrerbietig auf und trugen ihn nach Ephel Brandir. Und Brandir, der ihnen entgegenkam, wunderte sich über die Bahre, die sie trugen. Dann zog er den Überwurf beiseite, blickte in Túrins Gesicht, und ein dunkler Schatten fiel ihm aufs Herz.
»Oh, grausame Männer Haleths!«, rief er. »Warum habt ihr den Tod von diesem Mann ferngehalten. Was ihr mit großer Mühe hierhergebracht habt, ist das letzte Verderben unseres Volkes.«
Doch die Waldmenschen sagten: »Nein, es ist der Mormegil aus Nargothrond, 21 ein gewaltiger Ork-Töter, und wenn er am Leben bleibt, wird er uns eine große Hilfe sein. Und wenn es auch nicht so wäre, hätten wir einen vom Leid niedergestreckten Mann wie ein Stück Aas am Wege liegen lassen sollen?«
»Gewiss nicht«, antwortete Brandir. »Das Schicksal wollte es nicht so.« Und er nahm Túrin in sein Haus und pflegte ihn sorgsam.
Aber als Túrin endlich dieses Dunkel abschüttelte, war der Frühling zurückgekehrt, und er erwachte und sah die Sonne auf den grünen Knospen. Da regte sich auch der Lebensmut des Hauses Hador in ihm, er stand auf und sprach zu sich selbst: »Alle meine Taten und vergangenen Tage waren dunkel und böse. Aber es ist ein neuer Tag angebrochen. Hier will ich in Frieden leben und mich von meinem Namen und von meiner Sippe lossagen. Und so will ich meinen Schatten hinter mir lassen und ihn zumindest nicht auf jene legen, die ich liebe.«
Darum nahm er einen neuen Namen an und nannte sichselbst Turambar, was in der Sprache der Hoch-Elben »Meister des Schicksals« bedeutet. Und er lebte bei den Waldmenschen, wurde von ihnen geliebt, und er verpflichtete sie, seinen alten Namen zu vergessen und ihn als jemanden zu betrachten, der in Brethil geboren war. Doch wenn er seinen Namen auch geändert hatte, so konnte er sein reizbares Gemüt dennoch nicht völlig bezähmen und seinen Gram nie ganz verwinden, den er gegen die Knechte Morgoths hegte. Und er fuhr fort, mit wenigen Gleichgesinnten die Orks zu jagen, obwohl Brandir dies nicht behagte. Dieser hoffte nämlich, sein Volk durch Stille und Heimlichkeit besser vor dem Verderben zu schützen.
»Den Mormegil gibt es nicht mehr«, sagte er, »doch trage Sorge, dass die Tapferkeit Turambars nicht eine ähnliche Strafe für Brethil heraufbeschwört!«
Deshalb legte Turambar sein Schwert beiseite, nahm es nicht mehr in den Kampf mit und benutzte nunmehr Bogen und Speer. Doch er wollte es nicht leiden, dass die Orks die Teiglin-Stege benutzten oder dem Grab Finduilas’ zu nahe kamen. Der Ort wurde Haudh-en-Elleth genannt, Grabhügel des Elbenmädchens. Bald lernten die Orks diesen Ort fürchten, und sie mieden ihn. Und Dorlas sagte zu Turambar: »Du hast den Namen abgelegt, doch du bist noch immer das Schwarze Schwert; und gibt es nicht Gerüchte, die sagen, hinter diesem Namen verberge sich in Wirklichkeit der Sohn Húrins aus Dor-lómin, Fürst aus dem Hause Hador?«
Turambar erwiderte: »Ich habe davon gehört. Doch ich bitte dich, nicht öffentlich davon zu sprechen, wenn du mein Freund bist.«
Die Reise Morwens und Nienors nach Nargothrond
Als der Grausame Winter sich zurückzog, kamen neue Nachrichten aus Nargothrond nach Doriath. Einige Menschen waren nämlich aus der geplünderten Stadt entkommen, hatten den Winter in der Wildnis überlebt und kamen schließlich zu Thingol, um ihn um Zuflucht zu bitten. Die Grenzwächter brachten sie zum König. Und die einen sagten, die Feinde seien allesamt nach Norden abgezogen, andere dagegen sagten, Glaurung hause noch in Felagunds Hallen; und die einen sagten, der Mormegil sei tot, andre wiederum, er sei unter einen Bann des Drachen gefallen und stehe noch dort wie versteinert. Alle aber erklärten, dass vor dem Ende in Nargothrond bekannt war, das Schwarze Schwert sei niemand anderer als Túrin, der Sohn Húrins aus Dor-lómin.
Da waren Morwens und Nienors Kummer groß, und Morwen sagte: »Solche Ungewissheit ist allein Morgoths Werk! Sollen wir die Wahrheit nicht erfahren und keine Gewissheit über das Schicksal erhalten, das uns erwartet?«
Nun hatte Thingol selbst großes Verlangen, mehr über das Schicksal Nargothronds zu erfahren, und bereits erwogen, einige Männer heimlich dorthin zu schicken. Er aber glaubte, dass Túrin wirklich tot oder rettungslos verloren war, und der Gedanke an die Stunde, in der Morwen die Wahrheit erfahren würde, war ihm verhasst. Deshalb sagte er zu ihr: »Dies
Weitere Kostenlose Bücher