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Nachrichten aus Mittelerde

Nachrichten aus Mittelerde

Titel: Nachrichten aus Mittelerde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher J. R. R.; Tolkien Tolkien
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zu den Dämmerseen. Dort waren zwischen den Wasserläufen und dem Ried des östlichen Ufers Boote und Wachmannschaften versteckt, denn auf diesem Wege verkehrten Boten zwischen Thingol und seinen Verwandten in Nargothrond. 22 Sie warteten nun, bis die sternenhelle Nacht sich neigte, und setzten in den weißen Nebeln vor der Morgendämmerung über den Fluss. Und gerade als die Sonne rot über den Blauen Bergen aufging, ein kräftiger Morgenwind blies und die Nebel zerstreute, stiegen die Bootswachen zum westlichen Ufer hinauf und verließen den Gürtel Melians. Es waren großgewachsene Elben aus Doriath, und sie trugen Mäntel über ihren Panzern. Morwen beobachtete sie vom Boot aus, während sie schweigend an ihnen vorbeizogen, und plötzlich stieß sie einen Schrei aus und deutete auf den letzten Mann des Trupps, der an ihr vorbeiging.
    »Woher ist er gekommen?«, fragte sie. »Zuerst sah ich dreimal zehn. Und jetzt steigen dreimal zehn und einer ans Ufer!«
    Da drehten sich die anderen Wachen um und sahen, dass die Sonne auf goldfarbenem Haar glänzte, denn der letzte Mann war Nienor, deren Kapuze der Wind zurückgeschlagen hatte. So wurde offenbar, dass sie dem Trupp gefolgt war und sich ihm in der Dunkelheit angeschlossen hatte, bevor er den Fluss überquerte. Die Männer waren entsetzt, und Morwen nichtweniger. »Kehre zurück! Kehre zurück! Ich befehle es dir!«, rief sie.
    »Wenn Húrins Weib gegen jeden guten Rat allein fortgehen kann und dem Ruf ihrer Sippe folgt«, sagte Nienor, »dann kann es auch Húrins Tochter. Trauer, so hast du mich genannt, doch ich will nicht allein um Vater, Mutter und Bruder trauern; denn von allen diesen habe ich nur dich gekannt, und dich liebe ich mehr als die anderen. Und nichts, was du nicht fürchtest, will ich fürchten.«
    Tatsächlich war in ihrem Gesicht und in ihrer Haltung kaum Furcht zu erkennen. Sie erschien groß und kräftig, denn die Nachfahren Hadors waren großgewachsen; da sie zudem Elbenkleidung trug, konnte sie es mit den Wächtern wohl aufnehmen und war nur wenig kleiner als der größte unter ihnen.
    »Was hattest du vor?«, fragte Morwen.
    »Dorthin zu gehen, wo du hingehst«, antwortete Nienor. »Ich stelle dich freilich vor die Wahl: Entweder du führst mich zurück in die sichere Hut Melians, weil es nicht klug ist, ihren Rat zu missachten, oder, wenn du es nicht tust, sollst du wissen, dass ich wie du die Gefahr suchen werde.« In Wahrheit war Nienor nämlich vor allem in der Hoffnung gekommen, Furcht und Mutterliebe könnten Morwen zur Umkehr bewegen. Und in der Tat war Morwen in ihrem Entschluss schwankend geworden.
    »Es ist eine Sache, einen Rat zu missachten«, sagte sie. »Es ist eine andere, einem Befehl deiner Mutter zuwiderzuhandeln. Kehre jetzt zurück!«
    »Nein«, entgegnete Nienor. »Es ist lange her, dass ich ein Kind war. Ich habe meinen eigenen Willen und Verstand, obwohl sie sich bis jetzt nicht mit den deinigen gekreuzt haben. Ich gehe mit dir. Lieber nach Doriath, aus Achtung vor denen, die dort herrschen; doch wenn nicht, dann gehe ich nach Westen. Wahrlich, wenn einer von uns beiden weitergehen sollte,käme es eher mir zu, denn ich bin im vollen Besitz meiner Kraft.«
    Da erkannte Morwen in Nienors grauen Augen die Standhaftigkeit Húrins. Sie war unschlüssig, doch sie konnte ihren Stolz nicht überwinden und es nicht über sich bringen (ungeachtet der freundlichen Worte), auf diese Weise von ihrer Tochter zurückgeführt zu werden, als sei sie alt und schwach.
    »Ich gehe weiter, wie ich es mir vorgenommen habe«, sagte sie. »Komme also mit, aber gegen meinen Willen.«
    Darauf sagte Mablung zu seinen Männern: »Wahrlich, es ist der Mangel an nüchterner Überlegung, nicht der an Mut, durch den Húrins Familie anderen so viel Kummer bereitet. Mit Túrin ist es das Gleiche, doch nicht mit seinen Vorvätern. Jetzt aber sind sie alle todgeweiht, und das gefällt mir nicht. Diesen Auftrag des Königs fürchte ich mehr als die Jagd auf den Wolf. Was ist zu tun?«
    Aber Morwen, die ans Ufer gelangt und nun näher gekommen war, hörte seine letzten Worte. »Tue, was der König dir aufgetragen hat«, sagte sie. »Forsche nach Nachrichten aus Nargothrond und von Túrin. Zu diesem Zweck sind wir alle zusammengekommen.«
    »Dennoch ist es ein langer und gefährlicher Weg«, sagte Mablung. »Wenn ihr weiterwollt, setzt euch beide zu Pferde, haltet euch zwischen den Reitern und entfernt euch keinen Fußbreit von ihnen.«
     
    So geschah es,

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