Nachrichten aus Mittelerde
dass sie sich bei Tagesanbruch aufmachten, langsam aus dem Lande des Rieds und der niedrigen Weiden hinausritten und zu den grauen Wäldern kamen, die einen großen Teil der südlichen Ebene vor Nargothrond bedeckten. Den ganzen Tag lang ritten sie stracks nach Westen, sahen nichts als entvölkerte Räume und hörten keinen Laut, denn die Lande waren verstummt; und Mablung schien es, als sei eine Furchtüber ihnen allgegenwärtig. Den gleichen Weg hatte Jahre zuvor Beren zurückgelegt, und damals waren die Wälder voll von den verborgenen Augen der Jäger. Jetzt aber waren alle Menschen aus Narog verschwunden, und die Orks streiften noch nicht so weit südlich umher. In dieser Nacht lagerten sie ohne Feuer und Licht in dem grauen Wald.
Während der folgenden beiden Tage setzten sie ihren Weg fort, und am Abend des dritten Tages seit ihrem Aufbruch vom Sirion hatten sie die Ebene durchquert und waren nahe an das östliche Ufer des Narog herangekommen. Dann überkam Mablung eine so starke Unruhe, dass er Morwen bat, nicht weiterzureiten. Jedoch sie lachte und sagte: »Du wirst bald froh sein, uns los zu sein, das ist mehr als wahrscheinlich. Aber eine kleine Weile musst du uns noch ertragen. Wir sind nun zu weit geritten, um aus Furcht umzukehren.«
Da schrie Mablung: »Todgeweiht und tollkühn seid ihr beide! Ihr seid keine Hilfe, sondern hindert uns daran, Nachrichten zu sammeln. Hört mich also: Ich habe den Auftrag, euch nicht mit Gewalt festzuhalten, doch ich bin auch gehalten, euch nach Möglichkeit zu beschützen. In dieser Lage kann ich nur eines von beiden tun: Ich werde euch beschützen. Morgen werde ich euch auf den Amon Ethir führen, den Hügel der Späher, der in der Nähe ist. Dort werdet ihr unter Bewachung bleiben und keinen Schritt tun, solange ich hier befehle.«
Amon Ethir war eine Erhebung, hoch wie ein Hügel, den Felagund einst unter großen Mühen in der Ebene vor den Toren hatte aufwerfen lassen, und er lag eine Meile vom Ostufer des Narog entfernt. Er war mit Bäumen bewachsen, ausgenommen sein höchster Punkt. Von dort hatte man jederzeit einen weiten Ausblick nach allen Richtungen, auf die Straßen, die zur großen Brücke von Nargothrond führten, und auf das Land ringsumher. Zu diesem Hügel kamen sie am späten Morgen und erstiegen ihn von Osten her. Mablung, der nach demHoch-Faroth hinübersah, der sich braun und kahl über dem Fluss erhob, 23 erkannte mit seinem Elbenblick auf den steilen westlichen Uferbänken die Terrassen Nargothronds und als kleine schwarze Öffnung in der Bergwand die gähnenden Tore Felagunds. Doch er hörte kein Geräusch und konnte weder irgendeinen Feind erblicken noch ein Anzeichen für die Anwesenheit des Drachen; er sah nur die verbrannten Tore, gegen die Glaurung am Tage der Plünderung sein Feuer geblasen hatte. Alles lag stumm unter bleichem Sonnenlicht.
Darum befahl nun Mablung, wie er es angekündigt hatte, seinen zehn Reitern, Morwen und Nienor auf der Spitze des Hügels in Gewahrsam zu halten und sich nicht vom Fleck zu rühren, bis er zurückkehre, außer es ergebe sich eine große Gefahr. Trete diese ein, sollten die Reiter Morwen und Nienor in ihre Mitte nehmen und so schnell wie möglich ostwärts nach Doriath fliehen; einen Reiter sollten sie vorausschicken, der die Nachricht überbringen und Hilfe holen sollte.
Dann nahm Mablung den anderen Teil seines Trupps zu sich, und sie kletterten vom Hügel herab, und als sie in die Felder auf der Westseite kamen, wo es wenige Bäume gab, zerstreuten sie sich; kühn und verstohlen suchte sich jeder seinen eigenen Weg zu den Ufern des Narog. Mablung selbst schlug den mittleren Weg ein, ging auf die Brücke zu, kam an ihr diesseitiges Ende und sah, dass sie völlig zerstört war. Regenfälle im fernen Norden hatten den Fluss anschwellen lassen; er raste wild durch sein tief eingeschnittenes Bett dahin und schäumte und brauste zwischen den herabgefallenen Steinen.
Aber dort lag Glaurung, mitten im Schatten des großen Durchgangs, der von den zerstörten Toren in das Innere führte; er hatte die Späher längst bemerkt, obwohl es in Mittelerde nur wenige andere Augen gab, die sie ausgemacht haben würden. Aber seine grausamen Augen sahen schärfer als die der Adler und übertrafen den Fernblick der Elben. Und so wusste er auch,dass einige zurückgeblieben waren und sich auf dem kahlen Gipfel des Amon Ethir aufhielten.
Gerade als Mablung zwischen den Felsen kriechend nach einer Möglichkeit suchte, den
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