Nachruf auf eine Rose
Sie mir, wie Sie momentan zueinander stehen.»
«Was wollen Sie von mir hören?»
«Nun, ob Sie sich sehr nahe sind, ewig miteinander telefonieren, wenn einer mal nicht zu Hause ist, so etwas in der Art.»
Sally wich dem freundlichen Blick der Frau gegenüber aus.
«Manchmal schon. Aber er hat so viel zu tun, und ich möchte ihn bei der Arbeit nicht stören.»
«Ich muss Ihnen diese Frage stellen: Haben Sie ihn wegen seines Geldes geheiratet?»
Die Frage kam für Sally völlig unerwartet, und sie war so perplex, dass sie nicht recht wusste, wie sie reagieren sollte. Zuweilen fragte sie sich, ob das, was sie für Alex empfand, das war, was man gemeinhin Liebe nannte. Ob es nun Liebe war oder nicht, eines stand fest: Sie brauchte und sie fürchtete ihn, so wie sie einst ihren Vater gebraucht und gefürchtet hatte. Claire Keating wartete immer noch auf ihre Antwort.
«Das geht Sie nichts an.»
Die Frau schien ihr die brüske Antwort nicht übel zu nehmen und fuhr fort, ihr scheinbar bedeutungslose Fragen zu stellen. Nach einer Stunde erklärte Sallys Anwalt die Befragung für beendet. Bevor sie gingen, kam der Polizist noch einmal auf die Zeit für eine bevorstehende Gegenüberstellung zu sprechen. Sally erkannte, dass er verärgert darüber war, dass sie wiederholt keine Antwort auf seine Fragen gegeben hatte, wohingegen sie nur zu bereitwillig auf die der Psychiaterin eingegangen war.
«Halt, einen Moment noch», fuhr er sie barsch an. «Nach der Gegenüberstellung werde ich Sie festnehmen, Sie einsperren und das Theater ein für allemal beenden! Und wenn wir Sie erst einmal in Gewahrsam genommen haben, dann wird Ihnen das Lachen schon noch vergehen!»
Es war das erste Mal, dass sie mit dem Gedanken konfrontiert wurde, in einer Zelle eingesperrt zu sein. Und dieser Gedanke ließ sie vor Schreck erstarren.
Claire bemerkte den Ausdruck auf Sallys Gesicht und schoss in die Höhe.
«Sally, sind Sie okay? Sally?»
«Mrs Wainwright-Smith? Bitte setzen Sie sich! Hören Sie auf!» Blite wandte sich an Claire Keating. «Warum schreit sie so?»
«Ich glaube, Sie hat eine Panikattacke. Sie hyperventiliert, wir müssen Sie beruhigen. Halten Sie Ihre Hand vor ihr Gesicht und bedecken Sie Mund und Nase.»
«Ich denke nicht daran, sie irgendwo anzufassen!»
Claire griff nach der Papiertüte, in der Blite das Schinken-Sandwich gebracht hatte, fasste Sally fest an der Schulter und zog ihr die Tüte über den Mund und die Nase. Nach kurzer Zeit hatte sie sich beruhigt und wirkte jetzt beinahe apathisch.
«Bevor Sie sie nach Hause fahren, sollten Sie sie zu einem Arzt bringen», wies Claire den Anwalt an, während er seine Mandantin, deren Bewegungen an einen Roboter erinnerten, aus dem Raum führte.
«Ist sie verrückt?» Blite machte sich Sorgen, dass seine Mordverdächtige auf Unzurechnungsfähigkeit plädieren könnte.
«Das beurteilen zu wollen, wäre noch zu früh. Das eben war einfach eine klassische Panikattacke.»
«Glauben Sie, sie ist in der Lage, die Gegenüberstellung um eins durchzustehen? Der Assistant Chief Constable will sie auf keinen Fall vorher festnehmen lassen.»
«Das hängt davon ab, ob der Arzt ihr ein Beruhigungsmittel gibt, doch mir erscheint es zweifelhaft.»
Blite fluchte, und Claire überließ ihn der Entscheidung, die Gegenüberstellung ein weiteres Mal aufzuschieben oder nicht. Sie musste gründlich über den Bericht nachdenken, den sie Fenwick liefern würde. Ihn zu verfassen, würde nicht einfach werden.
Wendy brachte die Kinder zur Schule. Beim Abschied schärfte sie ihnen erneut ein, nach der Schule auf dem Spielplatz auf sie zu warten, bis sie sie um drei Uhr abholen käme. Bevor sie zum Wagen ging, sah sie noch, wie die beiden – jeder in seinem Klassenzimmer – verschwanden. Sie hatte einen ausgefüllten Tag vor sich: Briefe mussten beantwortet, die Wäsche gemacht und das Frühstücksgeschirr abgewaschen werden. Mit etwas Glück würde sie es schaffen, die Sachen aus der Reinigung zu holen, den Wocheneinkauf zu erledigen und mit dem Renault in die Waschanlage zu fahren, bevor sie am Nachmittag die Kinder in der Schule abholen würde.
Detective Chief Inspector Ian Black hatte sich nach seiner Pensionierung in einen Bungalow mit Blick auf den Ärmelkanal zurückgezogen. Als Fenwick kam, war er gerade damit beschäftigt, das Gemüsebeet umzugraben.
«Sie müssen Andrew Fenwick sein! Ich bin Ian Black.» Er streifte einen Gartenhandschuh ab und streckte seinem
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