Nachruf auf eine Rose
Stunden in einer leeren Zelle geschlafen.
Wendy war ohnehin spät dran, und so fluchte sie innerlich, während sie in Fenwicks Schlafzimmer ein weißes, gebügeltes Hemd aus dem Schrank holte. Sie eilte damit zum Wagen, wo die Kinder bereits auf dem Rücksitz auf sie warteten.
Als Ebutt sie gegen neun Uhr abholte, war Sally hellwach, angezogen und hypernervös. Sie hatte der Versuchung nach einem Drink und ihren Pillen standgehalten, und ihr Verstand schmerzte vor furchtbarer Klarheit. Letzte Nacht hatte sie über eine Stunde lang mit Alex telefoniert. Er hatte von einem Hotel in der Nähe seines Büros aus angerufen und trotz ihres Flehens darauf beharrt, dort zu bleiben. Noch einmal hatte er sie zu absolutem Stillschweigen der Polizei gegenüber ermahnt. Sie hatte ihm verschwiegen, dass die Polizei den Flaschenzug beschlagnahmt hatte. Dass sie ein derart belastendes Beweisstück behalten hatte, anstatt es auf irgendeiner Baustelle am anderen Ende der Stadt in einen Container zu schmeißen, würde ihn sehr wütend machen. Er war besorgt über die anstehende Gegenüberstellung, und der Gedanke daran ließ sie schaudern.
Inspector Blite schaltete das Tonbandgerät ein und begann mit der Befragung. Diese Polizeipsychologin war auch wieder dabei. Nach rund zwanzig Minuten, in denen Sally an sich halten musste, diesem Polizisten nicht ins Wort zu fallen und seine ziemlich dümmlichen Vermutungen richtigzustellen, erhob sich die Frau und setzte sich neben Blite. Auf ein Nicken begann sie das erste Mal zu sprechen.
«Sally, mein Name ist Claire Keating. Ich bin Psychiaterin. Die Polizei hat mich gebeten, mit Ihnen zu sprechen. Sind Sie und Ihr Rechtsbeistand damit einverstanden?»
Ebutt nickte zustimmend, doch Sally wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte. Durfte sie mit dieser Frau sprechen oder nicht? Alex hatte ihr nicht gesagt, wie sie auf Fragen, die nicht von der Polizei gestellt wurden, reagieren sollte.
«Ich werde Sie nicht wegen der Vorwürfe, die man gegen Sie erhebt, befragen. Ich möchte Sie lediglich etwas besser kennen lernen.»
«In Ordnung.»
Die Frau begann, ihr eine Reihe bedeutungsloser Fragen über ihre Kindheit zu stellen, die Sally problemlos beantworten konnte. Das war genau wie die Gespräche mit den Arbeitern vom Jugendamt vor vielen Jahren. Mühelos schlüpfte sie in die Rolle des traumatisierten Kindes. Als die Fragen sich mehr auf die Gegenwart richteten, stellte sie überrascht fest, wie gut diese Keating über sie Bescheid wusste, und sie wurde vorsichtiger mit ihren Antworten. Während Blite das Band umdrehte, bestellte die Frau Tee und Gebäck und erinnerte Sally daran, wie hungrig sie eigentlich war. Als eine Polizeibeamtin das Bestellte brachte, nahm sie sich einen Keks nach dem anderen und war erst wieder in der Lage, sich auf die Fragen zu konzentrieren, als der Teller leer war.
«Möchten Sie noch etwas anderes zu essen?»
«Bekomme ich denn was?»
«Natürlich, was Sie wünschen, natürlich im Rahmen unserer Möglichkeiten.»
«Ein Schinken-Sandwich hätte ich gerne. Vielleicht mit Ketchup?»
«Kein Problem. Ich bin sicher, der Inspector wird Ihnen das besorgen.»
Mit Genugtuung sah Sally den Ausdruck von Missfallen auf Blites Gesicht, während er sich erhob, um Sally ein zweites Frühstück zu holen. Zum ersten Mal schenkte sie der Frau gegenüber ein Lächeln. Als Blite wenig später zurückkehrte, stellte er das Tonbandgerät an, und sie begannen von neuem.
Diesmal wollte Claire über Alex sprechen – wie sie sich kennen gelernt hatten, wie das mit ihrer, wie sie es nannte, «stürmischen Romanze» gewesen war. Diese Fragen erschienen Sally ziemlich harmlos. Als Nächstes wollte sie wissen, wie Alex aussah. Ob er attraktiv sei?
«Auf seine Art, ja. Er ist groß und kräftig. Und er ist immer sauber und gepflegt.»
«Ist er klug?»
«Oh ja, das ist er, und er arbeitet hart.»
«Hört sich an wie der perfekte Mann! Wer, glauben Sie, hat sich zuerst in den anderen verliebt?»
«Oh, Alex sich in mich. Er war ein ziemlich hartnäckiger Verehrer, hat mich umworben, mich zum Essen ausgeführt und mir Geschenke gemacht.»
«Was für Geschenke?»
«Meistens Kleider, manchmal sogar Schuhe. Für einen Mann hat er einen ausgezeichneten Geschmack. Er wusste genau, wie er mich haben wollte.»
«Also legt auch er großen Wert darauf, immer gut angezogen zu sein?»
«Alex? Nein, das ist ihm ziemlich egal. Aber es war ihm wichtig, dass ich gut aussah.»
«Erzählen
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