Nachruf auf eine Rose
sollte.»
«Ich werde mich jetzt auf den Weg machen, um bei der Suche zu helfen. Aber das Kindermädchen wird hier sein.»
Kaum hatte er den Hörer aufgelegt, klingelte es erneut. Es war Quinlan, der wissen wollte, wie es ihm ging.
«Es geht mir gut, Sir. Ich wünschte nur, dass ich mehr tun könnte. Wo arbeiten die Suchtrupps im Moment?»
«Wir haben insgesamt sechs Trupps laufen.» Der Superintendent hatte eigentlich nicht vorgehabt, die Orte zu nennen, denn er fürchtete, dass die bloße Erwähnung bestimmter Ortsnamen bei Fenwick Bilder früherer Suchaktionen nach vermissten Kindern heraufbeschwor, von denen einige ein furchtbares Ende genommen hatten. «Wir müssen in Betracht ziehen, dass jemand sich so an Ihnen zu rächen versucht. Sergeant Cooper und ein Team gehen deshalb gerade alte Fälle auf mögliche Verdächtige durch …»
«Davon gibt es eine Menge.»
«… Täter, die momentan auf freiem Fuß sind und so Gelegenheit gehabt hätten, eine Entführung zu planen. Davon gibt es nicht so viele. Und denken Sie nicht an den Fall Wainwright. Blite hat die Überwachung von James FitzGerald unter Kontrolle, und er wird Sally Wainwright-Smith gleich morgen früh festnehmen.»
Fenwick war verblüfft über Superintendent Quinlans Einschätzung seiner Person. Seitdem er von Bess’ Verschwinden erfahren hatte, hatte er keinen einzigen Gedanken an den Fall verschwendet. Er fragte sich, ob er sich geschmeichelt fühlen oder bestürzt sein sollte.
Bevor Quinlan das Telefonat beendete, bat Fenwick ihn, die Polizei in Edinburgh zu kontaktieren und in Erfahrung zu bringen, wie weit seine Mutter, die er sofort nach Bess’ Verschwinden angerufen hatte, auf ihrer Fahrt nach Sussex bereits gekommen war. Auf seine Bitte hin wollte die Polizei sie herunterfahren. Er legte den Hörer auf und rieb sich die Stirn. Er war schweißgebadet.
Nightingale, die Sergeant Cooper gegenübersaß, holte sich gerade die nächste Datei auf den Bildschirm. Superintendent Quinlan hatte sie beide von den Ermittlungen im Fall Wainwright abgezogen und die Verantwortung dafür in Inspector Blites Hände gelegt. Sie waren angewiesen worden, sich Fenwicks alte Fälle vorzunehmen und nach einem Straftäter zu suchen, der möglicherweise einen Groll gegen Fenwick hegte und zurzeit auf freiem Fuß war. Nightingale konzentrierte sich auf die Fälle, die auf Datenträger gespeichert waren, und Cooper auf die Papierberge. Keinem von beiden war nach Reden zumute, und so arbeiteten sie schweigend.
Außer dem gelegentlichen Klappern eines Schlüsselbunds oder dem Rascheln von Papier herrschte in der Einsatzzentrale nahezu völlige Stille. Die Tür hinter ihr schwang auf, als jemand mit den neuesten Erkenntnissen im Fall Wainwright hereinkam, die von einem Beamten in die Datenbank eingelesen werden sollten.
«Hier ist das Gutachten von Dr. Keating. Sie hat es soeben für den Chief Inspector durchgegeben.»
Die Worte lenkten Nightingale von ihrer Lektüre ab. Sie fluchte vor sich hin. Cooper blickte auf und erkannte, dass sie völlig erschöpft war.
«Ach du liebe Güte. Es ist fast Mitternacht, und ich brauche jetzt dringend etwas zum Beißen und Sie wahrscheinlich auch. Seien Sie doch so nett und besorgen uns etwas.» Entschieden drückte er ihr Geld in die Hand. «Und bringen Sie sich selbst auch was mit. Sie haben ja überhaupt kein Fleisch mehr auf den Rippen!»
Nightingale ging das verlassene Treppenhaus hinunter in die Kantine, wo der Assistant Chief Constable einen Essensautomat hatte aufstellen lassen. In der Kantine war kein Mensch. Erst in sechs Stunden, wenn die Frühschicht begann, wäre hier wieder Betrieb. Während sie die Münzen in den Schlitz steckte und die klebrigen Tasten drückte, musste sie wieder an Fenwick denken. Wie mochte er sich fühlen? Er war ganz allein mit seiner Angst. Am liebsten wäre sie jetzt bei ihm, einfach um ihn mit ihrer Gegenwart zu trösten. Um sein Leid, seine Verzweiflung mit ihm zu teilen; ihm zu helfen, wenn seine Furcht in Wut umschlug; ihn in den düsteren Stunden des Wartens zu trösten. In ihrer Vorstellung fühlte sie seinen Kopf auf ihrer Schulter, und plötzlich konnte sie die Tränen nicht mehr zurückdrängen. Unvermutet brach es aus ihr heraus.
«Warum habe ich diese Gedanken? Warum empfinde ich so für ihn? Das ist doch nicht normal.»
Bei diesen Worten verstummte sie abrupt. Wann immer jemand sie an ihren Vater erinnerte, schob sie den Gedanken sofort beiseite. Außerdem war
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