Nachruf auf eine Rose
Haushalt.
«Und wie beurteilen Sie den Fall?»
Nightingale wurde puterrot und suchte fieberhaft nach einer Antwort. Wie sie den Fall beurteilte! Diese Frage war nun wirklich unangebracht, zumal ihre Meinung zu dem Fall deutlich von der Beurteilung des damaligen Teamleiters abgewichen war. Sie hatte seinerzeit sogar einen Aktenvermerk dazu geschrieben. Und doch, dem Chief Inspector konnte sie vertrauen, das wusste sie, und so sagte sie ohne Umschweife:
«Das war kein Selbstmord. Ich meine, ich glaube nicht, dass es Selbstmord war.»
«Haben Sie dem Teamleiter damals Ihre Bedenken mitgeteilt?»
«Ja, Sir, aber …» Wie sollte sie höflich umschreiben, dass Blite und sein Team die seltene Gelegenheit genossen hatten, sie auszulachen? Durch ihre Professionalität und Kompetenz war sie gewöhnlich eine schlechte Zielscheibe für Witzeleien und hämisches Gelächter. Ihre beharrlichen Fragen und die Bedenken, die sie geäußert hatte, hatten ihr mehr spöttische Bemerkungen eingebracht als je zuvor. Und doch hatte sie sich nicht beirren lassen, was typisch für sie war, wenn sie von etwas überzeugt war.
«Ehrlich gesagt, er und die anderen glaubten, ich würde Gespenster sehen.»
Fenwick unterdrückte ein Grinsen. Er hatte ganz vergessen, wie direkt sie war.
«Und doch waren Sie sich Ihrer Sache so sicher, dass Sie diesen Vermerk geschrieben haben, auch auf die Gefahr hin, sich dadurch Blites Unmut zuzuziehen?» Fenwick blickte sie forschend an, während er auf eine Antwort wartete. Er bemerkte ihre angespannte Haltung. Schon bei ihrer letzten Zusammenarbeit war ihm diese unglaubliche Intensität aufgefallen, mit der sie die Dinge anpackte. Ganz offensichtlich rechnete sie damit, dass er ihr gleich einen Verweis erteilen würde, und so beeilte er sich, ihr zu versichern: «Es ist alles in Ordnung. Sie haben nichts falsch gemacht. Bitte sagen Sie mir, worin Ihre Zweifel bestanden.»
«Im Laufe der Untersuchung sind einige Details aufgetaucht, die mich stutzig gemacht haben, wie dieser fehlende Handschuh und die vielen Schuhabdrücke rings um das Auto. Meiner Ansicht nach sind die Spuren entstanden, nachdem das Auto geparkt wurde.»
«Die könnten auch von einem Spaziergänger stammen, der zwar seine morbide Neugierde befriedigen wollte, aber nicht genug Zivilcourage besaß, die Polizei zu holen. So etwas kommt vor.»
«Aber was ist mit den Hämatomen? Und die eine Seite seines Mantels war voller Schlamm.»
«Was stand im Obduktionsbericht, über die Hämatome, meine ich?» Er wusste die Antwort, da er den Bericht gerade gelesen hatte, doch er wollte hören, wie sie ihren Verdacht weiter begründen würde.
«Alles deutete darauf hin, dass er vor seinem Tod mehrere Male schwer gestürzt sein musste. Doch wenn er direkt bis zur Lichtung gefahren ist, wie und wann ist er dann hingefallen? Es war eiskalt in dieser Nacht, was für einen Grund hätte er haben sollen, im Wald spazieren zu gehen?»
«Vielleicht ist er gestürzt, während er versucht hat, den Schlauch ins Fenster zu klemmen.»
«Darüber habe ich auch nachgedacht. Aber dann hätte er sich doch am Auto abgestützt.»
«Hm.» Ein paar Prellungen und ein fehlender Handschuh bewiesen noch gar nichts. «War das alles, Nightingale?»
«Nein, da waren auch noch die Barbiturate. Sein Hausarzt schwor Stein und Bein, dass er ihm nie welche verschrieben hatte. Und wir haben vergeblich nach einem Apotheker gesucht, der das Medikament ausgegeben hat. Auf der Flasche, die man bei ihm im Wagen gefunden hat, war kein Etikett. Ich habe dreimal seinen ganzen Müll durchsucht, um das Rezept zu finden. Nichts.»
Fenwick musste unwillkürlich lächeln. Nur Nightingale konnte es einfallen, dreimal den Hausmüll eines Suizidtäters zu durchwühlen.
«Und dann war da noch die Sache mit seinem Wagenschlüssel. Wainwrights Haushälterin war bereit, vor Gericht zu beschwören, dass der Schlüssel, der im Zündschloss steckte, der Ersatzschlüssel war, den er niemals benutzte, während der Erstschlüssel oben auf der Kommode in seinem Schlafzimmer lag, wo er ihn übrigens immer abends hinlegte, bevor er zu Bett ging.»
Fenwick bedankte sich bei ihr mit einem knappen Nicken.
«Darf ich fragen, warum Sie meine Meinung hören wollten, Sir?» Nightingale wusste, dass sie gehen sollte, doch ihre Neugier war stärker als ihre Diskretion.
«Nein, das dürfen Sie nicht.» Fenwick sah mit ausdrucksloser Miene zu, wie Constable Nightingale den Raum verließ, doch kaum hatte sie
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