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Nachruf auf eine Rose

Titel: Nachruf auf eine Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Fenwick
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entschied sich dafür, zu Fuß zu gehen. So würde er einen klaren Kopf bekommen. Hinter ihm huschte eine gebückte Gestalt in den Schatten einer Mauer. Als Arthur in Richtung Ausgang ging, trat sie heraus und folgte ihm unbemerkt durch die Nacht.

18B 12
    Detective Constable Nightingale trat auf den Balkon, legte die Hände auf das rostige Geländer und ließ die salzige Seeluft tief in ihre Lunge strömen. Noch einmal atmete sie die Mischung aus Seetang und Ozon ein und fühlte, wie ihr Kopf langsam wieder klar wurde. Hinter ihr ging ein Polizeibeamter leise über den verblassten Chintzteppich, kniete sich nieder und berührte einen bleichen, plumpen Arm. Fünfzehn Minuten nachdem ihre uniformierten Kollegen sie alarmiert hatten, waren sie bereits am Tatort eingetroffen. Ein paar Tage vor dem Ende ihrer Abordnung an die Küste hatte sie aufgehört zu zählen, wie viele Fälle von Körperverletzung sie inzwischen zu Protokoll genommen hatte. Doch dies war ihr erster Mord.
    Ihre ganze Schulterpartie war verspannt. Sie streckte sich, um die Muskeln etwas zu lockern. Im tiefsten Inneren wusste sie, dass nicht die Arbeit der Grund für ihre Verspannungen war. Das war ein ganz anderer. Im Februar waren ihr Verlobter und sie zu der Einsicht gelangt, dass es nicht nur in diesem Jahr, sondern wahrscheinlich überhaupt nicht mehr zur Heirat kommen würde. Jetzt, da die Erinnerung an die Beziehung langsam verblasste, stellte sie erschüttert fest, dass sie das Alleinsein unterschätzt hatte.
    Sie blickte hinunter auf die Straße, die im rötlichen Schimmer der Laterne dalag. Nightingale wandte sich ab und warf erneut einen Blick auf die Szenerie im Inneren des Hauses. Die Frau lag zusammengesackt auf dem abgewetzten Sofa, fast nackt. Ihre Augen waren geschlossen, eine Hand lag schützend über ihren schlaffen Brüsten. Um das eine Auge hatte sich ein blauer Fleck gebildet, sie hatte Nasenbluten gehabt, und ihre Oberlippe war aufgeplatzt. Unter ihrem Morgenrock waren noch mehr blaue Flecken erkennbar, einige waren schon älter und schimmerten in schmutzigem Gelb, ein paar waren frisch. Ihr Haar war blutverkrustet, und auch an ihren Ohren klebte getrocknetes Blut. Vor ihr kniete vornübergebeugt der Notarzt und versuchte vergeblich, sie zu reanimieren.
    Das Alter des Opfers war schwer zu schätzen – vielleicht fünfzig, vielleicht auch schon älter. Sie war so stark geschminkt, dass jede Falte sich deutlich abzeichnete. Schnell genug war erkennbar gewesen, welchem Gewerbe sie nachgegangen war, auch ohne die bereitwillige Hilfe der verschiedenen Hausbewohner, die förmlich darauf brannten, ihre Beobachtungen und Verdächtigungen der Polizei mitzuteilen. Nightingale konnte nicht verstehen, warum alle so erpicht darauf gewesen waren. Angewidert wandte sie den Blick ab und sah wieder hinunter auf die Straße.
    Mit der Dämmerung war auch die Abendkühle gekommen. Die Tage waren jetzt schon spürbar länger, und in der Luft lag bereits ein erstes Frühlingsahnen. Nightingale sah einen komisch wirkenden kleinen Mann die Chalk Avenue entlanghasten, der trotz der milden Witterung seine Kappe tief über beide Ohren gezogen und den Kragen seines Kamelhaarmantels hochgeschlagen hatte. Er wirkte schuldbewusst, und einen Moment lang fragte sich Nightingale, ob er vielleicht eine Verabredung mit der Dame auf dem Sofa gehabt haben könnte. Nun, dann würde er auf jeden Fall zu spät kommen. Aber nein, denn nach einem raschen Seitenblick auf das Blaulicht des Streifenwagens bog er um die Ecke, in die Richtung, in der ein junger und dynamischer Architekt eine neue Siedlung gebaut und diese euphemistisch «Sea View» getauft hatte.
    Der Notarzt hatte seine Reanimierungsmaßnahmen inzwischen eingestellt, und Inspector Chambers fragte ihn nach der Todesursache. Mit einer seltsamen Mischung aus Mitleid und Verachtung lauschte sie den Ausführungen des Arztes. Dann erhielt sie den Auftrag, mit der Befragung der Hausbewohner weiterzumachen.
    Arthur Fish eilte in Richtung «Sea View». Er spürte den Frühlingswind auf seinen Wangen. Obwohl er wie immer früh dran war, schritt er dennoch rasch aus. Noch bevor er die Kuppe des Hügels erreicht hatte, bemerkte er den bläulichen Lichtschein vor sich. Sofort dachte er an den Krankenwagen und an seine Frau daheim. War mit ihr alles in Ordnung?
    Oben angelangt, erblickte er den Polizeiwagen, und Unbehagen stieg in ihm auf. Waren sie bei Amanda, um eine Haussuchung durchzuführen? Hatte sie ihnen schon

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