NachSchlag
herrliche volltönende Stimme bebte, aber nicht vor Furcht. Armand sah, dass sich ihre Fäuste ballten. Sah es mit großer Freude.
»Was ich mit dir erlebt hatte, war wie ein schmerzlich-süßer Traum gewesen, dessen Details nur ich kannte, die ich in mir verschloss – ich vergaß sie niemals. In meinen auf unsere Trennung folgenden Träumen erlebte ich wieder und wieder die Bestrafung durch dich. In allen nur denkbaren Versionen.« Für eine flüchtige Sekunde blickte sie auf und er sah ihr schelmisches Lächeln. »In
fast
allen Variationen. Diese hier hätte sich schon ein absolut geniales Hirn ausdenken müssen …«
Armand lachte geschmeichelt auf.
Lea fuhr fort: »Bevor ich Yonathan kennenlernte, lebte ich rastlos und unzufrieden vor mich hin. Einmal wagte ich es zwar, mich aufzulehnen gegen den mütterlichen Würgegriff. Den ich immer noch nicht so nennen konnte, ich war unfähig klar zu sehen oder konsequent zu handeln. Aber ich fragte sie nach ihrer Familie, wenn sie mir schon meinen Vater totschwieg – ich wollte endlich etwas wissen über meine Großeltern und den ganzen Rest der Verwandtschaft – doch sie schwieg weiterhin, sie gab mir keine Antwort, nicht eine, nicht ein Wort diesmal, sondern starrte mich nur kalt und voller Abscheu an, ja! Sie bestrafte mich diesmal nicht mit einer Ohrfeige, sondern mit Liebesentzug. Ich litt … UND ich hasste sie noch ein bisschen mehr. Insgeheim. Scheit auf Scheit trug ich zusammen. In einem versteckten Winkel meines Herzens.«
Sie legte eine kleine Pause ein. »Gleichzeitig wuchs die Furcht in mir. Ich wollte das, was ich gerade gefunden hatte, das, was du erweckt hattest, Armand, doch nicht wieder verlieren!«
Lea sprach nun hastiger. »Liebesentzug, das hieß bei Marit auch immer: Keine finanzielle Unterstützung mehr für die unbotmäßige Tochter, und ich war unselbständig und abhängig genug, um doch im Grunde darauf angewiesen zu sein. Zudem hatten wir eine Rezession, meine Performance-Shows liefen nicht mehr oder waren Flops und … ich biss die Zähne zusammen und versuchte alles um mich durchzuschlagen. IHR gegenüber verschwieg ich, wie schlecht es mir ging. Behauptete aus Stolz, dass ich es schaffte. ›Wirklich?‹, fragte sie zweifelnd, und das war schlimm, brannte wie Säure. Denn los ließ sie mich nicht … ich sie auch nicht … in dieser Phase der realen Erniedrigung, die überhaupt nicht geil, sondern einfach nur bitter war, fühlte ich jedoch höchstens, dass unsere Finger eisigkalt waren. Wie sich die Griffe lösen ließen, davon hatte ich keine Ahnung, das schien mir schwieriger als das Buch mit den Sieben Siegeln zu öffnen. Problematischer, als mich zu meiner geheimen Welt der dunklen Schmerzlust zu bekennen. Ich machte Schulden, lebte manche Woche nur von einem Kohlrabi und etwas Kuchen, den mir jemand geschenkt hatte. Endlich fand ich einen Telefon-Nebenjob bei einer Flirtline. Die hatte ihren Hauptsitz hier in unserer Stadt. Und da mir das Wasser echt bis zum Hals stand, fand ich sogar den Mut, mich persönlich bei der Chefin vorzustellen und um Vorschuss zu bitten. Sie saß kühl in ihrem Schreibtischsessel. Neben ihr stand ein schlanker, eleganter Mann, der mich mit ironischem Interesse musterte. Mit diesem ganz bestimmten Blick …«
»Diesem ganz bestimmten Blick?«
»Subtil beherrschend.«
»Und das war Yonathan«, sagte Armand, bei sich feststellend, dass er das Gift der Eifersucht kaum noch in sich spürte.
Lea stieß ein grimmiges kleines Lachen hervor, während sie wieder in die Wogen der Vergangenheit hineinglitt. Armand sah in ihr einen hellen, zarten und tapferen Delfin.
»Ja. - Also, die Chefin wollte mir nichts geben. Sie sagte frostig, das sei nicht üblich und ich hätte ja noch nicht einmal angefangen und bla-bla-bla. Da berührte Yonathan leicht ihre Schulter und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Ihre Züge veränderten sich. So einfach war das.«
Die Scheine knisterten in ihrer Hosentasche, Lea atmete auf, sie war gerettet, und sie strebte zur Tür. Erst einmal diesen Sieg genießen und dann … sie hatte schon vermutet, dass der gut aussehende Bursche ihr folgen würde. An der schweren Gittertür aus schwarzem Eisen, die den Eingang markierte zu jenem alten Gemäuer, in dem die Erotikline residierte, holte er sie ein.
Lächelte.
»Danke«, sagte Lea mit einem scheuen Augenaufschlag, und dabei fiel ihr auf, was für ungewöhnliche Augen ihr neuer Gönner hatte: sie waren grau wie Seen aus Bergkristall, auf
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