NachSchlag
sie bei sich nannte. Sonst nicht lyrisch veranlagt und Poesie eher zynisch gegenüber stehend – höchstens blutfarbene Jagdbilder faszinierten ihn – diese Stimme war seine Inspiration, sie beglückte ihn, und es verdross ihn beinahe etwas, dass Lea solche Macht über ihn hatte … er jedoch besaß die Macht, sie derart erklingen zu lassen, das glich es wieder aus, er allein! Sie zu Klagegesängen zu bringen, die einzigartig waren und an Schönheit ihresgleichen suchten … wie eine Edelsteinglocke in der Tiefe eines mystischen Ozeans aus Lust und Schmerz …
Auf einmal wurde Armand klar, dass er Werkzeug und Gebieter zugleich war in diesem Spiel, bei dem der Einsatz höher war als je zuvor – eine Erkenntnis, die ihm durch und durch ging, bis ins Mark, als sei auch er an das Tens-Gerät angeschlossen.
Und plötzlich lieferte ihm sein widerspenstiges Gedächtnis jenen Informationsbrocken, den er so dringend brauchte. Es war, als ob eine Tür aufspringen würde.
Er räusperte sich mehrmals.
»Das einzige, was uns hierbei noch fehlt, ist ein starkes Motiv, nicht wahr? Versuch, sich aus der Symbiose zur Mutter zu befreien samt Trauer über den Tod des – Freundes, scheint mir ein bisschen zu schwach. Passt auch nicht so recht in deine Persönlichkeitsstruktur. Nein …«
Er kam näher und näher an Lea heran und fragte: »War nicht der Zweitberuf, den deine Mutter erlernt hat, Apothekerin? Hat sie nicht Pharmazie studiert?«
Leas Augen wurden groß. »Ja«, flüsterte sie. Seit langem die erste Antwort, die sie gab.
Er fühlte sie nachgeben, fühlte, wie ihre Mauer sich auflöste, und ER, Armand, hatte das bewirkt … eine herrliche, unvergleichliche Empfindung.
»Sie kannte sich also aus mit Medikamenten, zum Beispiel für Herzkranke? Kannte sie in- und auswendig?«
»Ja …«
»Und dein Freund Yonathan starb tatsächlich eines natürlichen Todes?«
Sein sonniges Lächeln war gnadenlos.
»Bist du sicher?«
Lea blieb stumm … sie hielt den Atem an. Ihre Blässe, die verschiedenartigen Gefühle, die über ihr ausdrucksvolles Gesicht huschten, waren Antwort genug.
»Hatten er und deine Mutter sich an seinem Todestag vielleicht getroffen?«
Noch verbissener wurde ihr Schweigen.
»Lea«, sagte Armand und legte einen Finger unter ihr Kinn.
»Du hast deiner Mutter die Schuld an Herrn Rizzi in die Schuhe geschoben, weil sie tatsächlich die Verantwortung für das Ableben eines anderen Menschen trug. Und dir war klar, dass man das nie hätte beweisen können. Viel zu geschickt war deine Mutter, die Giftmischerin, dabei vorgegangen. Diese andere Chance, die sich dir bot, hast du mit beiden Händen ergriffen …«
Leas Schweigen veränderte sich … wurde gläsern … und zerbrach, lautlos fast.
»Ja«, sagte sie mit nur ein wenig verzerrter Stimme. Ihr Gesicht war tränenüberströmt. »Genau so ist es gewesen.«
Sie atmete tief ein und fast singend wieder aus.
Leicht fühlte sich ihr Kopf an, federleicht, und sie hatte ein seltsames Sphärengeräusch in den Ohren.
Sie hatte gestanden … wie leicht war es letztlich gewesen.
Schweigend trat Armand an sie heran und löste ihre Fesseln, nahm sie ab vom Hexenkreuz. Er war ihr dabei nahe, so dass sie seinen herben Geruch einsog.
Lea sträubte sich auch nicht mehr dagegen, dass er ihr Wasser einflößte. Sie glaubte, noch niemals zuvor etwas so Köstliches geschmeckt zu haben, noch nie waren so wundervolle lebensspendende Tropfen über ihre Zunge gerollt und sanft in ihre ausgetrocknete Kehle geflossen; alle ihre Empfindungen waren – gesteigert, phantastisch verstärkt, und vorsichtig, ungläubig noch, kostete sie von der Frucht unendlicher Erleichterung.
Dass, wovor sie glaubte, sich am meisten gefürchtet zu haben, war eingetreten … sie würde sich nun vor Gericht zu verantworten haben wegen – nun, Vortäuschung einer Straftat hieß das wohl, und bei der Schwere des Falles, der Rachsucht, die dem zugrunde lag, der Tatsache, dass es sich bei der Geschädigten um ihre eigene, unbescholtene Mutter handelte, bekam sie wohl keine Strafe auf Bewährung.
Scheu musterte sie Armand, der sie bezwungen hatte.
Was Recht war, muss Recht bleiben – so lautete ja dessen in Stein gemeißelter Wahlspruch.
Sein Schweigen dauerte ihr zu lange.
»Wirst du mich sofort verhaften und ins Gefängnis bringen?«, fragte sie.
Er lächelte. Seine rechte Hand strich ihr die von Schweiß verklebten Haarsträhnen aus der Stirn, dann glitt sein Zeigefinger zart über
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