Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition)
Zimmer hell erleuchten, als ich die Augen aufmache. Halb elf. Ich habe göttlich geschlafen und fühle mich endgültig akklimatisiert.
Ich gönne mir einen herzhaften Banana Pancake, das Gericht zum Frühstück schlechthin. Besonders beliebt unter Rucksackreisenden und Surfern. Mit dem gleichnamigen Lied von Jack Johnson im Ohr schreite ich die Treppen der Anlage hinunter zum Strand. Heute zieren nur wenige Wolken den blauen Himmel, und die Sonne kommt immer wieder durch. Also lautet mein Tagesziel: Kampf der T-Shirt-Bräune! Denn momentan sehe ich aus wie ein Radprofi und nicht wie ein entspannter Urlauber. Das Training der letzten Wochen hat seine Spuren hinterlassen. Es schien zwar nicht häufig die Sonne in der Heimat, aber ich habe das Glück, ziemlich schnell Farbe zu bekommen. Blöd nur, dass man beim Fußball nicht oben ohne spielt. So bin ich im Gesicht und dem unteren Arm- und Beinbereich bereits ordentlich vorgebräunt, meinen Oberkörper sollte man aber besser mit Sonnenbrille betrachten, um nicht geblendet zu werden.
Sonnenschirme gibt es hier nicht, doch die sind ohnehin nur was für Weicheier, sage ich mir, als ich mein viel zu kleines Badehandtuch im Sand platziere. So liege ich, als Streifenhörnchen getarnt, in der schwülen Hitze und schwitze wahre Wasserfälle beim bloßen Daliegen. Schön ist es trotzdem, die Wärme auf der Haut zu spüren und das Meer zu riechen, vor allem aber zu hören. Dieses rhythmische und immer kraftvolle, zur selben Zeit aber auch sanfte Anschlagen der Wellen am Strand beruhigt mich immer wieder. Es gibt wohl kein schöneres Geräusch auf der ganzen Welt.
Selbst das triviale, dumpfe Geräusch, wenn der Fuß auf den Ball trifft, fehlte mir. Dieser leicht gedämpfte kurze Ton, wenn man den Ball zentral genau an der richtigen Stelle mit der Innenseite trifft und dieser daraufhin haargenau über der Grasnarbe entlang förmlich zu schweben scheint, ohne dabei auf dem Boden aufzuhüpfen. Oder das etwas dunklere, längere Geräusch bei einem Flugball, wenn der Fuß mit einer dynamischen Schwungbewegung unter den Ball fährt und diesen mit dem Innenspann wie an einer unsichtbar gespannten Schnur quer durch die Luft zum weitentfernten Mitspieler beschleunigt. Es war inzwischen eine gefühlte Ewigkeit her, dass ich Fußball gespielt hatte und diese Laute bei mir selbst vernehmen konnte. So langsam litt ich unter Entzugserscheinungen.
Nachdem ich meine Notoperation heil überstanden hatte, durfte ich schon bald das Krankenhaus verlassen. Aber all der Aufwand war umsonst gewesen. Mal wieder. Denn die Schmerzen ließen nicht nach. So langsam waren tatsächlich alle mit ihrem Latein am Ende, ich eingeschlossen.
Dann schlug der Zufall zu, wobei ich nicht wirklich glaube, dass es im Leben so etwas gibt. Ich hatte mich schon immer ganz gut mit Michael Rensing aus der Profimannschaft verstanden, wir kannten uns aus ein paar gemeinsamen Spielen für die zweite Mannschaft. Michi hielt bei sich zu Hause regelmäßig legendäre Fußballturniere auf der Playstation ab, an denen häufig die halbe Amateurmannschaft teilnahm. Eines Tages waren wir verabredet, auf einen Kaffee, glaube ich. Er hatte davor noch ein wenig für sich trainiert, und ich sollte ihn am Trainingsgelände drüben im Profitrakt abholen. Dort oben im ersten Stock befand sich der Kraftraum, äußerst modern eingerichtet und riesig. Davon konnten wir in der Amateurabteilung nur träumen. Überhaupt staunte ich im Profigebäude jedes Mal wieder über die generöse Ausstattung. Die riesige Kabine, die einladenden Entmüdungsbecken und die großzügigen Aufenthaltsräume. Später, unter Klinsmann, kamen dann auch noch der Billardtisch dazu, die Tischtennisplatte, die Spielekonsolen, das Kino, der feudale Essensbereich und so weiter.
Im Fitnesstempel der Profis traf ich dann auf Michi und Oliver Schmidtlein, den damaligen Fitness- und Rehabilitationstrainer. Er sollte später auch für die Nationalmannschaft tätig sein und in der Szene zu großer Bekanntheit gelangen. Inzwischen hat er eine eigene Praxis in München eröffnet. Ich stellte mich Olli vor und kam unverhofft mit ihm ins Gespräch über mein Problem. Ich stand da nur in Jeans und T-Shirt, um Michi abzuholen. Aber kurzerhand machte Olli mit mir ein paar Übungen, um meine Defizite, wie er sagte, auszuloten. Danach bot er mir an, dass ich bei ihm trainieren könne. Er sah eine ernsthafte Chance, die Sache wieder hinzukriegen.
Ich schöpfte neuen Mut, man klammert
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