Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition)
Wahrscheinlich war es eine Mischung aus allem.
Die Ursache der Verletzung wird auch nie mit Sicherheit ergründet werden, sie war ja plötzlich da, ohne erkennbaren Grund. Ich habe erst viel später für mich persönlich erkannt, dass der Zeitpunkt logischer nicht hätte sein können. Ich stand nicht nur gerade am Ende meiner letzten Jugendsaison mit glänzenden Perspektiven. Ich hatte auch mein Abitur so gut wie in der Tasche. Nur noch die mündliche Prüfung fehlte, die schriftlichen waren geschafft, und mir war klar, dass da nichts mehr schiefgehen würde. Es fiel jetzt alles von mir ab. Denn die Monate zuvor waren geprägt gewesen von unglaublich viel Stress und Arbeit. Da waren nicht nur das tägliche Vereinstraining, sondern auch viele Reisen mit der Nationalmannschaft. Ich war sehr oft unterwegs zu Länderspielen und verpasste dadurch eine Menge Stoff in der Schule, den ich anschließend nachpauken musste. Wenn ich zurückkam, brauchte ich Tage, um alles nachzuholen.
Auf dem Platz war ich schon immer bekannt für meinen Ehrgeiz. Auch vor der Schule machte dieser Wesenszug nicht halt, und ich wollte unbedingt ein gutes Abitur schreiben, was mir auch erfolgreich gelang. Mir war ein guter Schulabschluss immer wichtig gewesen, für den Fall, dass es zum großen Wurf im Fußballbereich nicht reichen würde. In dem Fall ohne etwas Vorzeigbares in der Hand dazustehen und keine Möglichkeit zu einem Studium zu haben, das war mein Albtraum.
So kam es, dass ich eigentlich nur noch zwischen Schulbank, Schreibtisch und Trainingsplatz pendelte. Meine damalige Freundin bekam mich nur selten zu Gesicht, ganz abgesehen von meinen Kumpels. Aber ich konnte mich nun mal nicht vierteilen. Versucht habe ich es trotzdem, ich wollte einfach allem gerecht werden. Und bekam das auch hin. Aber am Ende war ich völlig ausgelaugt von dem Stress, den ich mir selbst auferlegt hatte. Heute bin ich der festen Überzeugung, dass mir mein Körper daraufhin ein Warnsignal geben wollte. Mit der Aussage: So geht es nicht weiter. Dass diese Warnung aber solch eine Ewigkeit andauern musste, war natürlich bitter.
Ende Mai 2006, fast auf den Tag genau ein ganzes Jahr nach meinem letzten Einsatz, war ich so weit. Ich konnte wieder mit der Mannschaft trainieren. Es war das Abschlusstraining vor dem letzten Saisonspiel, und ich habe mich darauf gefreut wie ein kleines Kind. Ich spielte so befreit auf, dass ich einfach vergaß, dass ich eigentlich konditionell und spieltechnisch meinen Kollegen völlig unterlegen sein musste. Mir gelang einfach alles, ich schoss Tore, spielte kluge Pässe, gewann meine Zweikämpfe und wollte jeden Ball haben. Fast so, als wollte ich das gesamte verlorene Jahr in diesem einen Training wieder wettmachen. Ich erlebte an diesem Tag etwas, das mir leider viel zu selten vergönnt war: die reine Freude am Fußball, so, wie ich ihn schon immer liebte. Völlig ohne Druck von außen oder mir selbst, ohne nachzudenken, einfach nur Spaß am Spiel, sonst nichts. Fußball, wie er sein sollte.
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15.5.
Wiedergeburt in neuer Rolle
Zum Abschied mache ich noch ein paar Fotos mit Susi und Made. Zum einen fühle ich mich nun fit und bereit, um mir möglichst viel von der Insel anzusehen. Zum anderen passt der Preis für mein Zimmer, so schön es auch war, nicht länger in mein Budget. Für zwei Nächte zur Eingewöhnung habe ich es mir gegönnt. Doch ab jetzt will ich die Sache ganz durchziehen als «Backpacker» und nicht nur halb. Dazu gehört für mich auch, aufs Geld zu schauen und einigermaßen günstig dabei wegzukommen. Für Luxus ist da kein Platz, und ich will sehen, ob ich auch ohne auskommen kann.
Nächster Halt ist das Mandala Inn in Padang-Padang, nur wenige Kilometer entfernt von Bingin. Dieses Homestay war ebenfalls ein Tipp meines guten Freundes. Es ist der letzte Ratschlag, den ich von ihm in Anspruch nehme.
Ab jetzt reise ich spontan und mache, worauf ich Lust habe. Also etwas, das früher nie zu mir gepasst hätte. Ich hatte immer einen genauen Plan im Kopf, wie alles ablaufen sollte, und wollte den dann möglichst eins zu eins umsetzen. Dieser Urlaub soll bewusst das komplette Gegenstück werden. Denn mir ist inzwischen klar geworden, dass man so viel planen kann, wie man will. Am Ende kommt es doch anders, und das ganze Nachdenken davor war umsonst. Verschenkte Zeit.
Meine winzige Gastgeberin Susi.
In der Vergangenheit war ich sehr streng mir selbst gegenüber und ging oftmals wohl zu hart
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