Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition)
Liga an einen schlechten Scherz erinnert. In den oberen beiden Ligen kann ich die Bewertungen größtenteils nachvollziehen, auch wenn man natürlich nie ganz einer Meinung ist. Aber wenn ich mir unsere Noten manchmal so angesehen habe, wusste ich nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Ich habe zum Beispiel bei meinem wohl schlechtesten Spiel der Saison gegen die Stuttgarter Kickers eine glatte Drei bekommen. Wir verloren deutlich, ich spielte einfach fürchterlich an diesem Tag und trug die Hauptschuld an einem Gegentor mit einem krassen Fehler im Spielaufbau. Mein mit Abstand bestes Spiel machte ich dagegen in Braunschweig. Wir gewannen eins zu null, ich legte das Tor auf und machte auch in der Defensive einen blitzsauberen Job, räumte hinten wirklich alles weg und kann mich an keinen einzigen verlorenen Zweikampf oder schwerwiegenderen Fehlpass erinnern. Ebenfalls eine Drei.
Egal ist einem so eine Note nicht, auch wenn man das vielleicht denken könnte. Zum einen geht es natürlich um das eigene Ego und wie die Außenwelt meine Leistung offenbar gesehen hat. Zum anderen schauen viele Vereine bei einer möglichen Verpflichtung auch auf die Durchschnittsnote eines Spielers. Oder lassen sie zumindest nicht unerheblich in die Bewertung einfließen. Mein Tipp lautet trotzdem, sich dafür möglichst wenig zu interessieren, denn ich habe mir deshalb viel zu oft einen Kopf gemacht. Und ändern konnte ich es sowieso nie.
Besonders hoch ist der Neidfaktor in diesem Geschäft. Im Endeffekt ist es vermutlich nicht anders als in einer großen Firma, wo auch jeder in seiner Abteilung positiv auffallen und nach oben will. Das gefällt natürlich den anderen nicht immer, schließlich verfolgt jeder dasselbe Ziel. So wurde es vielen meiner Kollegen aus den eigenen Reihen nicht gegönnt, wenn sie oben bei den Profis trainieren durften oder vom Trainer in der Zeitung mal wieder in den Himmel gelobt wurden. Ich selbst nehme mich davon gar nicht aus, denn die eine oder andere Entscheidung hielt auch ich für fragwürdig. Vor allem, wenn abzusehen war, dass derjenige diese Privilegien charakterlich nicht verkraften und schon bald mit der Bodenhaftung eines Luftballons durch die Kabine schweben würde. Natürlich war auch ich auf so manchen bodenständigen Teamkollegen einfach nur neidisch, ganz klar. Doch mancher trieb es einfach zu weit im Umgang mit den erfolgreicheren Jungs und ließ in deren Richtung den einen oder anderen dummen Spruch zu viel vom Stapel. Unter diesen Voraussetzungen und dem ohnehin immensen Druck ist es nicht immer einfach, eine eingeschworene Truppe zu formieren. Dabei ist der Zusammenhalt auf dem Platz ein nicht unwesentlicher Faktor für den Erfolg. Wenn jetzt der Eindruck entstehen sollte, dass bei uns jeder nur für sich spielte, ist das allerdings grundlegend falsch. Fast alle kann ich von dieser Behauptung freisprechen. Wenn auch nicht jeden Einzelnen.
Trotz aller negativer Aspekte hat man auch immer eine Menge Spaß miteinander. Die Jungs teilen untereinander einige Interessen, sind schließlich fast alle etwa im selben Alter. Da wird dann auch viel gelacht und gescherzt, Konkurrenz hin oder her. Vor allem auf den teilweise quälend langen Busfahrten spielten sich manchmal herrliche Szenen ab. Beispielsweise beim Pokern. Wenn da bis zu acht Mann an einem Tisch um kleine Geldbeträge kämpften wie Kinder um die letzte Handvoll Gummibären, dann machte das schon einen Riesenspaß. Bisweilen pflegten wir sogar einen ganz eigenen Sprachgebrauch innerhalb der Mannschaft. Da wurden in manchen Sätzen Wörter gebraucht, deren Bedeutung nur ein Teammitglied kennen konnte. Hätte uns in einigen Situationen ein Außenstehender zugehört, der wäre völlig verwirrt und kopfschüttelnd von dannen gezogen. Ein Deutschlehrer hätte vermutlich glatt Selbstmord begangen.
Besonders wenn die Ergebnisse auf dem Platz stimmten, herrschte auch in der Kabine gute Stimmung. Da wurde einiger Blödsinn veranstaltet, bis sich die halbe Mannschaft vor Lachen am Boden kugelte. Es konnte vorkommen, dass wir die Umkleide zum imaginären Fußballtennisfeld umfunktionierten und so manches heiße Match mit hohem Unterhaltungswert darin stattfand. Besonders als einmal eine Glasscheibe zu Bruch ging. Gern wurden auch lustige Bildchen oder mehr oder weniger niveauvolle Sprüche auf ein Stück Tape gekritzelt und einigen Spielern auf ihren Kabinenplatz geheftet. Oder der Klassiker: das Verstecken einzelner Gegenstände, wie Socken
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