Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition)
wir auf einer Wellenlänge liegen, als er mit leuchtenden Augen von ein paar heißen Schwedinnen auf Bali erzählt und wir in der Folge noch lange herzhaft über das ewige Thema Frauen diskutieren.
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24.5.
Die kurze Erleuchtung
Nach ein paar Stunden Schlaf ist es Zeit, die Gegend zu erkunden. Leon und ich schwingen uns nach dem Frühstück auf sein Motorbike und fahren die Küste entlang. Das Umland hier steht in seiner Schönheit der Landschaft Balis in nichts nach. Es ist nur deutlich weniger los, kaum Leute auf den Straßen oder am Meer. Wir klappern ein paar herrliche Strände ab, und Leon sieht sich schon mal nach geeigneten Möglichkeiten zum Surfen um. Nach einer Weile gelangen wir zum sogenannten Seger Beach, nur wenige Kilometer von Kuta entfernt. Als wir gerade auf den Schotterweg in Richtung Strand einbiegen wollen, gerät das Moped ins Schlingern. Leon flucht und fuchtelt wild mit den Armen umher, wohl wissend, dass wir einen Platten haben. Innerhalb von zwei Wochen schon sein drittes Malheur dieser Art. Es ist das erste und einzige Mal, dass ich ihn sauer und wütend erlebe. Zu zweit trägt uns die Maschine nicht mehr, und so bleibe ich notgedrungen zurück, während mein Kollege im Kriechtempo und in Schlangenlinien auf der Suche nach der nächsten Reparaturmöglichkeit davoneiert.
Ich nutze die Zeit und begebe mich an den Strand. Weit und breit kein Mensch zu sehen an diesem malerischen Fleckchen. Außer einem einsamen Pärchen, beide mit langen verfilzten Haaren und in weite Leinengewänder gehüllt. Genau so habe ich mir die typischen Backpacker immer vorgestellt. Ich habe wenig Lust, mich alleine hinzusetzen, also spreche ich das Hippiepaar ganz frech an. Er sieht aus wie eine weißhäutige Parodie auf Bob Marley. Sie ist hübsch und kommt aus Wien. Ich finde den Dialekt einfach immer wieder zum Schießen. Ich muss mich ein paarmal mächtig zusammenreißen, um nicht laut loszulachen, wenn sie spricht. Herrlich, dieser Wiener Schmäh. Nach einer Weile verabschieden sich die beiden.
Ich bin endgültig alleine. Das Wasser liegt fast regungslos da und ist angenehm warm, als ich ein kleines Stück hineinwate. Ich stecke mir die Kopfhörer meines MP3-Players in die Ohren und genieße mit musikalischer Untermalung die traumhafte Umgebung, die in diesem Moment nur mir gehört. Es ist ein erhabenes Gefühl. Im Meer stehend, um mich herum mächtige Felsenklippen, ein paar Vögel kreisen am Himmel.
Ich lasse meinen Blick wahllos schweifen. Doch dann plötzlich bleibe ich an einem Punkt mit meinen Augen hängen wie von einem Magneten angezogen. Hoch über mir, auf einer der bewachsenen Felsenklippen, erstreckt sich ein weitläufiges Feld. Und dort steht jemand. Ich kann die Person nur schemenhaft erkennen, weil sie sehr weit entfernt ist, sehe aber, dass sie einen langen Stock in der Hand trägt. Vor dieser dunklen, braungebrannten Gestalt trottet eine Gruppe Rinder über die Wiese. Das scheint ein Hirte zu sein, der sein Vieh vorantreibt. Seitdem ich ihn entdeckt habe, steht er aber einfach nur da. Wie festgewachsen. Aufrecht, den Körper durchgedrückt. Der Mann steht zu weit weg, als dass ich seine Augen sehen könnte, aber so, wie er den Kopf neigt, könnte ich schwören, er blickt von dort hoch oben genau auf mich herab. Ich werde mir nie rational beweisen können, dass das alles nicht nur Einbildung war. Aber genau in diesem Moment spüre ich ganz deutlich den Blick des Hirten auf mir lasten. Ich kann nicht anders, als ihn zu erwidern. Das geht minutenlang so. Zunächst empfinde ich dieses irreale Schauspiel als unheimlich. Wie ich da so alleine bis zu den Knien im Wasser stehe, weit und breit um mich herum nichts als dieser Mann und sein Vieh. Ich bekomme Gänsehaut am ganzen Körper, obwohl es brütend heiß ist. Der Hirte hat eine mystische, fast schon beängstigende Wirkung, und ich frage mich, wer dieser Mensch ist, der dort oben in seinen zerlumpten Klamotten mit so viel Stolz und Erhabenheit steht. Doch je länger ich ihn ansehe, desto wohler fühle ich mich. Als ob er mir über sein bloßes Betrachten etwas mitteilen will: dass auch für mich gesorgt wird zu jeder Zeit, genauso wie er auf seine Tiere stetig achtgibt. In mir steigt eine angenehme, jede Körperfaser durchdringende Wärme auf, die genau dieses unzerstörbare Gefühl des Schutzes in mir aufflammen lässt. Meine Gedanken über die Vergangenheit und Zukunft verstummen. Ich bin gefangen im Augenblick. Und im
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