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Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition)

Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition)

Titel: Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Heinze
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ich todtraurig und enttäuscht zurück auf die Bank. Eingewechselt wurde ich erst wenige Minuten vor Schluss, nachdem ich mich fast die komplette zweite Hälfte warmgelaufen hatte.
    Ich war innerlich gespalten. Es war ein komisches, undefinierbares Gefühl. Eine Art Mischung aus riesiger Wut und tiefster Melancholie. Ich war zornig, weil ich nicht spielen durfte, obwohl es um nichts mehr ging und es mir persönlich unheimlich viel bedeutet hätte. Gleichzeitig war ich unendlich traurig, weil mein Ende bei dem Verein gekommen war, für den ich mir elf Jahre lang die Schuhe geschnürt hatte. Der Verein, der als Kind mein Traum gewesen war und später mein Leben prägte.
    Es war für mich in diesem Moment unvorstellbar, von einem Tag auf den anderen nicht mehr an die Säbener Straße zu gehen und zu trainieren. So wie Tausende Male zuvor.
    An meinem letzten Trainingstag erschien ich ein wenig früher als alle anderen, bewaffnet mit einer kleinen Digitalkamera. Für meine persönliche Erinnerung drehte ich ein mehrminütiges Video. Stumm ging ich noch einmal das ganze Gelände ab. Stieg ein letztes Mal die zehn steinernen Treppenstufen hinauf, die zum Haupteingang und dessen hellem Vorraum führten. Wie an meinem ersten Tag vor etwa elf Jahren schien die Sonne. Zu beiden Seiten hin erstreckte sich ein kleiner Flur. Auf der linken Seite befand sich am Ende des Ganges die kleine Turnhalle, wo wir in den vergangenen Jahren immer mal wieder Koordinations-, Kraft- oder Schnelligkeitsübungen absolviert hatten. Vor allem aber war auf dieser Seite des Traktes meine erste Kabine aus der D-Jugend. Hier war ich seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr gewesen, doch als ich die Tür öffnete, war ich überrascht, wie viele Bilder mir in den Kopf schossen. Dieser kleine Raum war vor langer Zeit Schauplatz vieler ereignisreicher Szenen gewesen. Den Tränen nahe nach einer Heimniederlage gegen die meist älteren und größeren Gegner, aber auch ohrenbetäubende Jubelgesänge unter der Dusche aus lauter krächzenden, vom Stimmbruch gepeinigten Kehlen.
    Ich sah jetzt ebenfalls vor meinem inneren Auge, wie ich als halbwüchsiger Zwölfjähriger zum allerersten Mal in die Kabine getreten war und mich die gesamte Mannschaft angesehen hatte, als hätte ich jedem einzelnen von ihnen das Pausenbrot geklaut. Neuer Spieler ist gleich neue Gefahr für den eigenen Platz im Team, dieses Prinzip hatte auch schon damals Gültigkeit gehabt. Bereits in diesem jungen Alter war beim FC Bayern das Konkurrenzdenken enorm ausgeprägt gewesen. In solchen Momenten hatte ich mich sehr unwohl gefühlt in diesem hellen, rot-weiß gestrichenen, aber kahlen Raum mit zwei einfachen Sitzbänken, sorgsam angeordneten schwarzen Kleiderhaken und einem Waschbecken mit Spiegel in der vorderen Ecke. Das war aber eher selten vorgekommen. Als ich meinen Blick noch eine Weile durch die Kabine schweifen ließ, erinnerte ich mich an freundschaftliche Raufereien dort drinnen oder wie wir manchmal, ohne mit der Wimper zu zucken, gegenseitig unsere Taschen aus dem Fenster geworfen hatten. Der jeweilige Pechvogel hatte dann leicht bekleidet außen herum auf die Straße gehen und sich seine Klamotten zurückholen müssen. Gerade im Winter kein allzu angenehmes Unterfangen. Und so mancher Spaziergänger quittierte diese Aktion dann auch mit einem ungläubigen Kopfschütteln.
    Mein Rundgang führte mich weiter hinaus auf die Trainingsplätze. Da war zunächst der Kunstrasenplatz, auf dem ich in den ersten Jahren meine fußballerische Ausbildung in München verpasst bekommen hatte. Auch später noch hatten wir im Winter häufig auf dieses Feld ausweichen müssen, zahlreiche unfreiwillige Rutschpartien auf Schnee und Eis inklusive. Am hinteren Ende des Geländes befand sich der Rasenplatz für die A-Jugend und die Amateurmannschaft, bis zu dem ich mich Stück für Stück und Jahr für Jahr hochgespielt hatte. Genau auf diesem Feld hatte ich eine Menge Schweiß vergossen, dort war so mancher großer Traum gereift und hatte sich wieder verflüchtigt. In diesem grünen Rechteck hatte ich jahrelang mal den größten Spaß, mal das traurigste Leid erlebt. Auf meinem Rückweg passierte ich den von einem kleinen grau-roten Zaun umgebenen Profirasen. Zwar hatte ich das Vergnügen gehabt, dort einige Male trainieren zu dürfen, doch wirklich dort angekommen war ich nie.
    Im Untergeschoss des Hauptgebäudes allerdings schon. Hier waren die A-Jugend und die zweite Mannschaft untergebracht. Ich

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