Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition)
schlurfte mit meiner Kamera auch hier durch die verlassenen Räume. Durch den kleinen Kraftraum in der hintersten Ecke und noch davor durch den Behandlungsraum, in dem ich früher bedauerlicherweise viel zu viel Zeit auf einer der drei Liegen hatte verbringen müssen. Und dann natürlich meine damals noch aktuelle, geräumige Kabine, wo mein persönliches Namensschild einen der Plätze zierte und meine schwarzen Fußballschuhe in Nocken- und Stollenausgabe penibel aufgereiht unter meiner Bank standen. Zu guter Letzt ging ich in den Wäscheraum und holte mir zum endgültig letzten Mal meine Trainingsklamotten ab. Unsere Waschfrau war die einzige bekannte Person, die ich bei meinem Rundgang antraf. Ich gab ihr als Dank für ihre Mühen eine Kleinigkeit und wünschte ihr alles Gute. Ich griff danach schnell nach den Sachen aus meinem persönlichen Wäschefach und eilte hastig wieder heraus, weil ich merkte, wie nah mir die gesamte Situation ging.
Seit ich anfing, mich für Fußball zu interessieren, war ich Anhänger des FC Bayern. Später durfte ich dann meinem Traumverein selbst angehören und ihn hautnah erleben. Ich bekam die internen Abläufe in diesem weltberühmten Club mit und musste feststellen, dass hinter den Kulissen nicht immer alles Gold war, was nach außen hin glänzte. Trotz dieser Macken und Makel, oder gerade deswegen, war ich immer mit Herzblut dabei und stolz, das Trikot mit dem typisch bayerischen Rautenmuster in roter Umrandung im Wappen zu tragen. Ich war immer so etwas wie ein spielender Fan.
Es war ein Geben und Nehmen. Ich gab immer vollen Einsatz für den Verein, egal, wie es lief. Das bestätigten mir sowohl die vielen Trainer, die mich förderten, als auch die wenigen, die nicht so sehr auf mich bauten. Dazu gab ich auch einen Teil meiner Jugend auf. Für das viele Training, die vielen Reisen. Ich verpasste dadurch so manche Party und Erlebnisse mit Freunden. Aber ich bereue es nicht. Denn im Gegenzug wurden mir großartige Erfahrungen zuteil, dank des Vereins sah ich viele ferne Länder, und natürlich verdiente ich gutes Geld, das mir ein luxuriöses Leben für mein Alter ermöglichte. Ich durchlebte eine Menge Höhen und Tiefen, doch insgesamt gesehen war es eine unglaubliche Zeit beim FC Bayern, die ich niemals missen möchte.
Umso trauriger machten mich die letzten Monate in dem Club. Letztendlich muss ich mir heute aber immer wieder vor Augen halten, dass dafür nur ganz wenige Personen verantwortlich waren. Davon will ich mir nicht elf schöne Jahre bei meinem Traumverein kaputt machen lassen. Dennoch hinterließ dieser Abschied einen verdammt bitteren Nachgeschmack. Mir fehlt nach allem nicht nur die naive Begeisterung für diesen Verein aus Kindertagen, ich würde mich nicht mal mehr als Fan bezeichnen. Zumindest nicht im klassischen Sinne. Also nicht enthusiastisch singend und klatschend ein Spiel verfolgend. Ich könnte mich allerdings auch niemals freuen, wenn die Profis eine Partie verlieren, das geht nicht. Letzten Endes werde ich wohl immer für die Roten die Daumen drücken. Und irgendwie wird der FC Bayern immer mein Verein bleiben. Ob ich will oder nicht.
Die Überfahrt zieht sich lange. Sehr lange. Nach knapp fünf Stunden läuft der Dampfer in den Hafen von Lembar ein. Kurz bevor wir anlegen, spricht mich ein Typ an und textet mich auf Englisch zu. Er ist groß, dünn, mit markanter langer Nase und scheint ein sonniges Gemüt zu haben. Erst nach einer Weile wird uns klar, dass wir Landsmänner sind. Leon ist fünfundzwanzig und kommt aus Saarbrücken. Ich habe mir die ganze Fahrt überlegt, wie ich auf Lombok heute noch am besten Richtung Süden gelange. Es ist bereits später Abend, und ich hatte mich schon damit abgefunden, meine Route ändern zu müssen. Doch siehe da, Leon will ebenfalls dorthin. Und er hat sein Motorbike dabei. Das Ziel lautet Kuta. Nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Touristenhochburg auf Bali, wo ich meine erste Nacht verbracht habe. Das hoffe ich zumindest, ansonsten mache ich mich nämlich mit dem nächsten Boot gleich wieder aus dem Staub.
Nach rund zwei Stunden abenteuerlicher Fahrt durch die Dunkelheit über gespenstisch verlassene und holprige Straßen sind wir da. Leon und ich finden prompt ein relativ günstiges Homestay. Richtig billig wird es aber nur dadurch, dass wir uns gemeinsam ein Zimmer nehmen. Ich bin zuerst ein wenig skeptisch, denn ich kenne den Kerl überhaupt nicht. Doch schon nach wenigen Sätzen wird klar, dass
Weitere Kostenlose Bücher