Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition)
Hahn ist weit und breit nichts zu hören, als ich mich schlafen lege. Es hat sich wohl ausgesungen.
Der dreiste Hahn in voller Pracht.
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23.5.
Unrühmliche Trennung
Auf dem hiesigen Markt besorge ich mir noch schnell ein Paar Flip-Flops. Günstig und ansehnlich, wenn auch die Marke gnadenlos schlecht gefälscht ist. Ballibong heißen meine Treter. Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen, als der Verkäufer auch beim dritten Nachfragen energisch beteuert, dass die Dinger Qualitätsware aus Australien seien. Anschließend husche ich dann doch noch schnell in ein Internetcafé. Bayern hat das Finale leider mit null zu zwei verloren. Anscheinend auch noch verdient, wie ich dem Spielbericht entnehme. Ich tippe noch schnell Teil drei von «Timos Tagebuch» für meine Lieben und ziehe weiter.
Zur Abfahrt des Kleinbusses komme ich gerade noch pünktlich. Das Ziel lautet Padangbai im Osten Balis. Vom dortigen Hafen aus will ich mit dem Schiff übersetzen nach Lombok, der Nachbarinsel. In Padangbai werde ich von Einheimischen belagert, die mir das Angebot meines Lebens versprechen. Schnellboote nach Lombok werden angepriesen wie die Ferraris des Wassers. Leider liegt der Preis deutlich außerhalb meines Budgets. Ich entscheide mich also für die öffentliche Fähre. Die braucht zwar in etwa viermal so lange, kostet dafür aber auch nur einen Bruchteil.
Um zwei Uhr sitze ich brav, wie mir befohlen, auf dem alten Dampfer und fühle mich nicht ganz wohl in meiner Haut. Bei näherer Betrachtung des Schiffes plagen mich ernsthafte Zweifel, ob es diese Fahrt überlebt. Zu rostig und alt erscheint mir jedes einzelne Teil, überall quietscht und klackert es. Zudem dauert es eine geschlagene Stunde länger als geplant, bis die Fähre ablegt. In der Zeit tuckern in einer schier endlosen Schlange ganz gemütlich Motorbikes und riesige Lastwagen in den Bauch des Schiffes. Während sich die Besitzer dort drinnen einen Parkplatz suchen, fühle ich mich, als kauerte ich in einer finnischen Sauna auf der obersten Stufe der Holztreppe, ein wild wedelndes Handtuch vom übermotivierten Saunameister vor dem Gesicht, das mir die Wärme förmlich entgegenpeitscht. Mein Platz ist eigentlich perfekt, direkt an der Reling im ersten Stock, mit viel Freiraum und ungetrübtem Blick auf den Ozean. Allerdings knallt die späte Mittagssonne erbarmungslos auf mich herab. Nach etlichen innerlichen Stoßgebeten gen Himmel legt der Dampfer endlich ab, und der erfrischende Fahrtwind beginnt sich über mein Gesicht zu legen. Am Ufer steht eine kleine Gruppe Einheimischer dicht beisammen, die ihren Verwandten und Freunden zum Abschied winken.
Meinen Abschied vom FC Bayern empfand ich als extrem unwürdig. Auch wenn ich mich im Training wieder ein wenig gefangen hatte, spielte ich für die Stammformation keine Rolle mehr. Die interessierten Vereine sprangen weiter munter der Reihe nach ab, und ich wusste nicht, wie es weitergehen sollte. Kurz gesagt, die Lage war noch immer dramatisch und gestaltete sich äußerst prekär.
Aber lässt man mal den Aspekt, dass ich mir große Sorgen um meine sportliche Zukunft machen musste, beiseite, dann bleibt da immer noch dieser unsägliche Abgang für mich vom deutschen Rekordmeister. Den ich nicht verdient hatte, wie ich finde. Und mit dieser Meinung stand ich keinesfalls alleine da, auch so mancher Mannschaftskollege zeigte sein Unverständnis über den Umgang mit mir. Na schön, ich war wohl in mancherlei Augen plötzlich nicht mehr gut genug, das ist die eine Sache. Die sportliche Seite. Aber was mich bis heute schockiert, das ist der menschliche Hintergrund. Mit mir wurde von entscheidender Seite überhaupt nicht gesprochen, mir wurde nicht erklärt, wie es aussieht oder was ich besser machen sollte. Anscheinend gehört das zum harten Geschäft dazu.
Der absolute Gipfel war aber mein allerletztes Spiel für den FC Bayern gegen die Kickers aus Offenbach. Wir standen in der Tabelle irgendwo im Niemandsland, mit dem Abstieg hatten wir nichts zu tun. Es ging also nur noch um einen versöhnlichen Saisonabschluss oder, böse ausgedrückt, um die goldene Ananas. Und trotzdem durfte ich nicht von Anfang an spielen, nicht einmal jetzt. Mir ging es schon gar nicht mehr um eine Empfehlung für einen anderen Club, ich wollte mich einfach nur würdig verabschieden. Aber statt im Trikot wurde mir in Aufwärmklamotten auf dem Rasen des Grünwalderstadions mein Blumenstrauß überreicht. Danach trottete
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