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Nachsuche

Nachsuche

Titel: Nachsuche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kuhn Kuhn
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nach. Er kennt den Bauern, dem der Wald gehört. Natürlich kennt er ihn, stammen sie doch beide aus dem Tösstal. Und seit zwanzig Jahren ist er Polizist in Turbenthal. Hat es nicht weiter gebracht, wollte es auch nicht. Er wollte gar nicht. Das ist etwas, das seine Kollegen in Winterthur nicht verstehen. Ihm gefällt es, alle und jeden zu kennen, auch wenn man nie dienstlich mit ihnen zu tun hat. Er kennt auch die Neuzuzüger. Mehr von ihnen, als ihm lieb ist, denn von ihnen landen so und so viele immer wieder bei ihm auf dem Polizeiposten.
    Er entschließt sich, bei Klingler vorbeizuschauen, und biegt in das schmale lange Tal ein, in dem der Tobelhof liegt. Das Anwesen ist weitläufig, mit Riesensilos, Laufställen, einem Miststock im Hof, der auf zwei Seiten von Holunderbüschen eingerahmt ist.
    Mit Gottfriedli, dem Sohn des alten Klingler, spielte Noldi schon als Kind. Der Vater hat den Hof erst vor ein paar Jahren übergeben und lebt seither im neuen Haus, das er sich weiter oben am Hang gebaut hat. Mit allen Schikanen, erzählt man im Dorf. Er soll sogar eine nierenförmige Badewanne haben, die in den Boden eingelassen ist. Der Sohn wohnt mit seiner Familie im alten Haus. Und im Stöckli daneben lebt immer noch die Großmutter.
    Gottfried sitzt in der riesigen Küche und löst das Sudoku in der Gratiszeitung, die sein Vater jeden Morgen vom Bahnhof holt.
    »Hab gar nicht gewusst«, sagt er, »dass ich eine Begabung für Zahlen habe. In der Schule war ich beim Rechnen immer schwach.«
    Gottfried Klingler ist klein, gedrungen mit demselben kurzen Hals wie sein Vater, dem er auch sonst gleicht. Die roten Apfelwangen dagegen hat er von seiner Mutter. Sie verleihen ihm das Aussehen eines alternden Gartenzwergs. Er hat, wie Noldi, vier Kinder. Sie sind zwischen zehn und zwanzig Jahre alt, wohnen aber alle noch im Haus.
    »Du bist im Neubrunnertal am Holzen«, sagt Noldi.
    »Ja«, antwortet Gottfried, »und du kommst wegen der Leiche oben im Wald.«
    »Du hast davon gehört?«
    »Klar. In Turbenthal pfeifen es die Spatzen von den Dächern. Nur gut, dass es nicht unser Wald ist. Der fängt erst weiter hinten an.«
    »Wie kommt es, dass du einen Wald im Neubrunnertal hast?«, fragt Noldi. »Ist nicht gerade der nächste Weg dorthin.«
    »Geerbt. Der Wald ist altes Frauengut. Meine Frau hat ihn von ihrer Mutter geerbt, und er darf nur in weiblicher Linie weitergegeben werden. Du weißt doch, sie stammt aus dem Gyrenbad. Und ihre Großmutter war aus Neubrunn.«
    »Aha«, sagt Noldi.
    »Den Anteil am Hof haben die Brüder meiner Mutter ausbezahlt. Damit konnten die Eltern dann den Tobelhof kaufen. Vorher waren sie hier nur Pächter. «
    »Ja, ich erinnere mich«, wirft Noldi ein. »War ein Höllenfest damals, als sie selbstständige Bauern wurden. Du und ich, wir gingen gerade in die erste Klasse.«
    Sie sinnieren beide ein wenig der alten Zeit nach, dann kommt Noldi unvermittelt zur Sache.
    »Und der Traktor auf dem Kehrplatz dort oben ist deiner? Richtig?«
    »Ja«, antwortet Gottfried. »Der steht immer noch dort. Wir waren mitten in der Arbeit, als es uns erwischt hat. Magendarmgrippe.«
    »Geht in Turbenthal um«, bestätigt Noldi.
    »Unsere Jüngste hat sie aus der Schule gebracht. Dann ist gleich der Vater krank geworden, nach ihm alle anderen und am Ende auch meine Frau. Es ist noch keine Woche her, dass wir wieder einigermaßen auf dem Damm sind.«
    Noldi rechnet nach.
    »Dann steht dein Traktor seit mindestens drei Wochen dort auf dem Kehrplatz. Hast du nicht Angst, dass ihn einer klaut?«
    »Kaum«, sagt Gottfried. »Er hat eine Zusatzsperre. Die bringt so leicht keiner auf. Außer ein Profi. Und für einen Profi lohnt es sich nicht, den Rosthaufen zu klauen. Du kriegst nichts mehr dafür. Deshalb haben wir ihn auch stehen lassen. Mir stinkt es, immer hin und her zu fahren.«
    Das heißt, denkt Noldi, als er den Hof verlässt, wenn der Traktor seit Wochen dort steht, kann in der Zwischenzeit auf der Forststraße keiner gefahren sein. Sonst müsste man in dem lehmigen Grund Reifenspuren sehen.
    Es gibt aber keine. Davon hat er sich am Freitag, nachdem sie die Leiche gefunden hatten, überzeugt.
    Er setzt sich in seinen Wagen und fährt ins Neubrunnertal zum Kehrplatz. Da steht der Traktor immer noch. Noldi geht in einem weiten Bogen um ihn herum und betrachtet ihn nachdenklich.
    Irgendwie muss die Frau in den Wald gebracht worden sein, denkt er. Sie lag mit dem Kopf talwärts. Das könnte bedeuten, sie wäre von

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