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Nacht

Nacht

Titel: Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Melodia
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hat mich erkannt.«
    »Meinst du, er führt seine Verhaftung auf dich zurück?«
    »Ja. Er hat vorhin ein Zeichen gemacht, als ich ihn im Vorraum gesehen habe.«
    »Ein Zeichen?«
    »Das Kreuzzeichen.«
    Sarl steht auf und beginnt, im Zimmer hin und her zu gehen.
    »Hast du mit deiner Freundin Naomi gesprochen?«
    »Ja, aber sie bringt es noch nicht über sich, ihn anzuzeigen.«
    »Es ist ungeheuer wichtig, dass sie es tut. Nur so können wir dafür sorgen, dass Tito und seine Komplizen dauerhaft im Gefängnis bleiben.«
    »Die Beweise, die Sie gesammelt haben, genügen also nicht, um ihnen den Prozess zu machen?«
    »Das reicht nur für geringfügige Anklagepunkte, mit denen wir sie ein Weilchen aus dem Verkehr ziehen können. Wir brauchen Naomis Zeugenaussage und ihre Identifizierung der Täter.«
    In diesem Moment klopft es an der Tür. Ein Polizist in Uniform tritt ein.
    »Kommissar, wir haben einen Notfall. Können Sie kurz kommen?«
    »Gleich.« Er sieht mich an. »Du wartest hier, Alma.«
    Sarl geht und lässt mich allein zurück. Ich lasse meinen Blick durch den Raum wandern: Ledersofa, Garderobenständer, Schreibtisch … Genau, der Schreibtisch. Die Aktenmappen, die hier liegen, sind alle etikettiert mit der jeweiligen Bezeichnung des Falls. Ich lausche kurz an der Tür, um sicherzugehen, dass niemand kommt, und sehe dann den Stapel durch. Gleich unter der obersten liegt eine Mappe mit der Aufschrift »Satanistensekte«. Das muss die sein, die Tito betrifft.
    Gespannt schlage ich sie auf. Sie enthält mehrere abgestempelte Bögen, vermutlich das Protokoll der Festnahme. Auch ein durchsichtiger Umschlag mit Polaroidfotos fällt mir in die Hände. Detailaufnahmen aus ihrem Geheimversteck. Schnell überfliege ich die brutalsten Bilder mit den Überresten zerlegter Tiere und betrachte die von den Kruzifixen genauer. Unmöglich zu sagen, ob eines davon benutzt wurde, um Naomi zu foltern. Ich blättere weiter. Bis ich etwas sehe, bei dem mir ein Schreckenslaut entfährt. An eine der Wände hat die Sekte etwas gemalt, wahrscheinlich mit Blut: einen großen Drachen.
    Ich lasse alle Fotos fallen außer diesem, das mir an den Fingern klebt wie Pech.
    Schon wieder dieser verdammte Drache. Der von Adams Ring, der, vor dem mich Morgan gewarnt hat.
    Ich höre Schritte näher kommen, dann Stimmen. Schnell lege ich alles ordentlich zurück und setze mich.
    Sarl tritt ein und setzt sich ebenfalls wieder.
    »Entschuldige, Alma, aber … Du siehst verstört aus – liegt es an dem, was ich dir erzählt habe?«
    »Eigentlich bin ich noch wegen einer anderen Sache hier.«
    Er wirft einen Blick auf den Aktenstoß vor sich. Ihm ist klar, dass ich meine Nase in die Unterlagen gesteckt habe. Lächelt mich aber trotzdem an. »Nur zu, sag, was du auf dem Herzen hast.«
    Ich berichte ihm, was ich in Agathas Haus erlebt habe. Er hört schweigend zu, stellt keine Fragen. Schätze, noch nicht einmal er hat in all seinen Dienstjahren so etwas zu hören bekommen.
    »Gib mir die Adresse«, sagt er am Ende lediglich.
    Ich schreibe sie ihm auf ein Stück Papier.
    »Agatha wird in ein Heim kommen, oder?«
    »Vielleicht sogar in eine Jugendstrafanstalt. Das müssen wir noch sehen.«
    Ich starre auf meine Füße. Natürlich fühle ich mich jetzt schuldig.
    Sarl ahnt, was in mir vorgeht. »Du hast das Richtige getan. Zerbrich dir nicht den Kopf darüber.«
    Ich sehe kurz zum Fenster hinaus. Es wird schon wieder dunkel.
    »Ich sollte jetzt besser gehen. Danke für alles.«
    »Danke dir für deine Hilfe.«
    Ich bin fast schon draußen, als Sarl mich fragt: »Wie kommt es, Alma, dass du mit solchen Vorfällen und solchen Leuten zu tun hast?«
    »Was glauben Sie wohl?«, erwidere ich achselzuckend. »Falsche Schule, Kommissar Sarl. Wir haben nicht das Geld für eine dieser Reichenschulen, wo das Böse keinen Zutritt hat.«

[home]
    Kapitel 55
    I n der Abgeschiedenheit meines Zimmers versuche ich, meine Gedanken zu ordnen. Titos Verhaftung hat den Fluss meiner Traum-Geschichten nicht zum Stillstand gebracht. Und die Frage des Kommissars hat mich verwirrt. Warum gibt es so viel Böses um mich herum? Ich weiß es nicht, natürlich nicht. Ich habe nicht den blassesten Schimmer.
    Die Zeit vergeht unerbittlich, und wenn alles so läuft wie bisher, bedeutet das, dass der nächste Mord näher rückt und niemand etwas dagegen tun kann. Niemand außer mir. Ich lese die letzte Geschichte noch einmal. Diesmal bis zum Ende.
    Sie spielt bei Nacht.
    In dieser

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