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Nacht

Nacht

Titel: Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Melodia
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die Bi mir beschrieben hat. Der Imbisswagen steht an der Ecke. Die Fahrbahn ist breit, zweispurig und wenig befahren. Hohe Straßenlampen zu beiden Seiten spenden mit ihren langen, dünnen Armen Licht. Zuerst wechseln sich noch geparkte Autos und Mülltonnen am Straßenrand ab. Dann nichts mehr. Wälle aus Dunkelheit jenseits der Straßenbeleuchtung löschen den Rest der Stadtlandschaft aus.
    Ein paar Meter weiter verzweigt sich die Straße zu einem Gewirr aus Umleitungen. Hinter einer schlecht asphaltierten Verbreiterung entdecke ich ein altes, zerbrochenes Plastikschild. Darauf steht schlicht »Sportclub«. Ein Pfeil weist in eine stockdunkle kleine Nebenstraße.
    »Hier muss es sein«, sage ich laut.
    Einen Moment überlege ich, ob ich zu Fuß weitergehen soll, um nicht bemerkt zu werden, beschließe aber, auf dem Mofa zu bleiben. Die Halle könnte noch ein ganzes Stück weg sein, und bei dieser Dunkelheit würde ich am Ende riskieren, nie anzukommen.
    Die Straße ist ein einziges Schlagloch. Sie erstreckt sich über ein paar hundert Meter und endet bei einem anscheinend ungenutzten Parkplatz.
    Ich schalte den Motor aus und stelle das Mofa in einer abgelegenen Ecke ab, die von der Straße nicht einsehbar ist. Der Sportclub ist eine gesichtslose Halle, in der ein schummriges Licht brennt.
    Ringsherum herrscht finsterste Nacht.
    Genau wie in meiner Geschichte.
    Mit langsamen Schritten gehe ich voran, passe auf, wohin ich trete. Unkraut und Gestrüpp haben den Zugangsweg überwuchert. Nach wenigen Metern bleibe ich abrupt stehen. Ein Schwall lauter, hektischer Musik dringt zu mir heraus. Eine elektrische Gitarre.
    »Evan?«, flüstere ich.
    Wie ein von diesen verzerrten Klängen gelenkter Roboter gehe ich auf die einzige Tür zu, die ich sehe. Ich drücke sie auf und befinde mich in den Umkleideräumen. Die Gitarre erfüllt mit ihrem elektrischen Gewimmer jeden dunklen Winkel. Ich lasse den Blick schweifen. Leere Bänke, Kleiderhaken an den Wänden, Duschen ohne Armaturen. Kaputte Waschbecken. Meine Augen haben sich inzwischen an das Halbdunkel gewöhnt.
    Nur ein einziger, grauenvoller Gedanke beherrscht mich: Ich bin nicht allein. Irgendwo in dieser Düsternis verbirgt sich ein Mörder. Die Angst ist so stark, dass sie meinen Kopf ausfüllt und ihn zum Dröhnen bringt.
    Hinter dem Umkleidebereich gehe ich vorsichtig durch einen Gang auf die Musik und das Licht zu. Auf einer durchgebrochenen Bank sehe ich eine Eisenstange liegen. Ich schnappe sie, ohne nachzudenken, überzeugt, dass sie mir nützlich sein kann.
    »Wo bist du? Wo bist du?«, wispere ich in die Dunkelheit.
    Die Vorstellung, auf was ich am Ende des Gangs stoßen werde, lähmt mich beinahe. Ich packe die Metallstange fester und sage mir, dass Evan oder wer immer da spielt noch am Leben ist, solange ich die Musik höre. Ich spüre tausend Nadelstiche auf meiner Haut und Eis in meinen Adern.
    Lauf weg! Lauf weg!, schreit etwas in mir.
    Aber ich will nicht weglaufen wie im Nordpark. Ich will nicht noch einmal so einen Schrei hören. Einen Fuß vor den anderen setzend, gehe ich weiter, halte die Stange kampfbereit vor mich. Ich erreiche die offene Tür vor der Halle.
    Ich bin da, denke ich. Und sehe ihn: einen Jungen in Jeans und Sweatjacke, die Kapuze über den Kopf gezogen. Er sitzt auf einem alten Sofa und spielt.
    Allein.
    Er hält eine rote Gitarre im Arm. Rot wie die von Evan.
    Dann sehe ich nichts mehr, weder ihn noch die Gitarre. Ich spüre, wie ein heftig aufwallender Hass sich meiner bemächtigt. An die Stelle der Angst tritt der unbändige Wunsch … zuzuschlagen!
    Den Musiker zu erschlagen. Ihn zum Schweigen zu bringen. Die Stille wiederherzustellen. Die Gitarre schreit. In meinem Kopf schreit es. Ich schreie auch und hebe die Eisenstange hoch.
    Ich denke an den Engelmann.
    Ich denke, dass ich den Gitarristen töten muss.
    Dann rutscht die Kapuze plötzlich herunter, und der Junge mit der Gitarre dreht sich halb zu mir um.
    Evan!
    Es ist mein Bruder!
    Er ist es wirklich.
    Du hasst ihn, sagt es in meinem Kopf. Du musst ihn töten.
    Nur ein Schlag.
    Töte ihn! Töte ihn! Zerstöre seine Gitarre. Halte das Chaos auf, das über die Welt hereinbrechen will.
    Aber … er ist mein Bruder.
    Über mir schwingen alte, verwickelte Taue, die an Schlangen erinnern.
    Bring ihn um und häng ihn an der Decke auf.
    »Nein!«, brülle ich und lasse die Stange fallen. »Nein!«
    Mein Kopf schweigt. Die Stimme, die ihn beherrscht hat, verhallt.
    Ich sinke zu

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