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Nacht

Nacht

Titel: Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Melodia
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Feldern und Wiesen vorbei. Maureen war total glücklich und trat aufs Gaspedal, zu einem wilden Hardrock-Sound. Dolly und ich haben mitgegrölt. An diese letzten Minuten vor dem Aufprall erinnere ich mich noch mit extremer Deutlichkeit, klarer als an alles, was vorher war. Wir fühlten uns unbesiegbar. Das Auto war voller Musik und voller Zitrusgeruch von dem Duftspender, den Maureen sich ausgesucht hatte. Und plötzlich gab es einen irrsinnig lauten Knall, als hätte uns eine ungeheure Kraft gegen irgendwas geschleudert. Ich klebte praktisch an meinem Sitz. Dann schloss ich kurz die Augen, und als ich sie wieder aufmachte, sah ich den Horror. Dolly saß nicht mehr auf ihrem Platz vor mir, ihr Seitenfenster war in lauter kleine, rot gefärbte Scherben zersprungen. Maureen lag über dem Lenkrad, in ihrem Gesicht klaffte eine große Wunde. Die Motorhaube, die noch qualmte, hatte sich um einen dicken Betonpfeiler gewickelt.«
    »Und du, wie ging es dir?«
    »Ich habe meine Arme, die Beine, das Gesicht abgetastet, aber … es scheint verrückt, aber mit mir war alles in Ordnung. Ich hatte noch nicht mal eine Beule. Erst im Krankenhaus machte mich der Arzt, der mich untersuchte, auf einen kleinen Schnitt unter dem linken Ohr aufmerksam. Das ist das einzige Andenken, das ich an diesen Unfall habe.«
    Morgan wirkt nachdenklich. Er scheint seine Betrachtungen gerade mit mir teilen zu wollen, überlegt es sich dann aber anders. Auch er hatte einen Unfall. Er hat mir seine Narbe gezeigt. Vielleicht ist es das, woran er denkt. Vielleicht ist es eine schmerzhafte Erinnerung, über die er nicht reden will.
    »Wie ist es zu deinen Geschichten gekommen?«
    »Ich habe das vorher nie gemacht, im Schlaf zu schreiben. Also habe ich ein bisschen in Büchern darüber nachgelesen. Darin steht, dass man bei so etwas von … Vorahnungen oder Warnträumen spricht. Anscheinend ist diese Fähigkeit an unseren Überlebensinstinkt gekoppelt.«
    »Inwiefern?«
    »Soweit ich gelesen habe, ist jedes Lebewesen bestrebt, seine Lebensfunktionen zu erhalten. Deshalb atmen, essen und schlafen wir und können das vom Moment unserer Geburt an. Niemand muss es uns beibringen. So wie niemand uns beibringen muss zu träumen. Ein Teil der Wissenschaftler vertritt die These, dass auch wir Menschen – so wie manche Tiere – Gefahren vorausahnen können, die von anderen Menschen ausgehen und unser Leben bedrohen.«
    »Das würde so was wie Telepathie erklären.«
    »Genau. Wir leben in einer engen Beziehung zu unseren Mitmenschen. Wir sind von ihnen abhängig, sind mit ihnen verbunden, deshalb nehmen wir die Gedanken der Menschen in unserer Umgebung wahr, genauso wie die Tiere Vorgänge in ihrer natürlichen Umgebung wahrnehmen, mit der sie in Symbiose leben.«
    »Interessant. Und wie passt das violette Heft zu dieser Theorie?«
    »Häufig ist das Auftreten der telepathischen Wahrnehmung mit einem bestimmten Moment verknüpft, einem Ereignis oder, seltener, einem bestimmten Gegenstand, der sozusagen als Katalysator in der eigenen Psyche wirkt. Das violette Heft ist so ein Gegenstand. Ich habe die erste Geschichte wenige Tage, nachdem ich es gekauft hatte, geschrieben. In dieser Schreibwarenhandlung in der Innenstadt, diesem alten Laden, der aus einer anderen Welt und einer anderen Zeit zu stammen scheint.«
    Morgan deutet ein Nicken an.
    »Zuerst habe ich gedacht, dass es sich nur um einen besonders bösen und lebhaften Alptraum handelt. Doch zwei Tage später habe ich beim Frühstück einen Zeitungsbericht gesehen, der haarklein den Mord schilderte, wie ich ihn geträumt und in dem Heft aufgeschrieben hatte. Sogar der Name des Opfers stimmte: Alek. Der Werbemensch mit der Achterbahn.« Ich hole tief Luft. »Diese Entdeckung war furchtbar. Ich habe versucht, herauszufinden, was meine Geschichte zu bedeuten hat, was sie mit mir und meinem Leben zu tun hat und wie ich sie überhaupt schreiben konnte. Aber dann blieben die Alpträume für ein paar Wochen aus. Und mit ihnen die Geschichten.«
    »Und die zweite?«
    »Wie du gesehen hast, habe ich nur ein paar Zeilen verfasst.«
    »Sie wurde offenbar … unterbrochen.«
    »Naomis Anruf hat mich aufgeweckt.«
    Morgan schließt halb die Augen.
    »Während wir Naomi zu Hilfe eilten, wurde Giulian, der Ingenieur, an der Todeskurve aufgehängt, im Vergnügungspark.«
    »Dann hast du wieder geschrieben.«
    »Die dritte Geschichte, der Mord an der Redakteurin. Aber diesmal wollte ich die Wahrheit herausfinden. Ich war

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